Der Rachefeldzug einer Mutter

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Vor der wahren Geschichte der Rassenunruhen in Boston in den 70er Jahren erzählt Dennis Lehane in "Sekunden der Gnade" die Geschichte von Mary Pat, die sich auf einen gnadenlosen Rachefeldzug begibt. Nachdem sie bereits ihren Sohn durch seine Drogensucht verloren hat ist nun ihre 17jährige Tochter Jules verschwunden. Verzweifelt versucht die Mutter, der Wahrheit auf die Spur zu kommen und schreckt dabei, getrieben durch Hass und Rachegefühle, auch nicht vor Gewalt zurück.
Die Unruhen sind Geschichte, die hier aus der Sicht einer weißen Mutter aus einem irischen Arbeiterviertel 1974 in Boston brutal und schonungslos erzählt wird. Traurig aktuell sind manche Szenen, seit Generationen überlieferte Vorurteile und Intoleranz befeuern den tiefen Hass und die Gewaltbereitschaft.
Ungewöhnlich finde ich hier, dass es mal nicht ein wütender Vater ist, der Rache nehmen möchte. Überhaupt spielen im Viertel von Mary Pat die Väter eine Nebenrolle, sind häufig abwesend: abgehauen, im Knast oder tot. Gewalt ist an der Tagesordnung, Prügel wird großzügig verteilt, die Mütter managen die Familie und eine Gruppe finsterer Gestalten hat die Kontrolle über das Viertel. Doch Mary Pat hat nichts mehr zu verlieren, sie nimmt es mit allen auf und stellt alle bisherigen Regeln auf den Kopf.
Dieses Buch beschreibt eine Geschichte, die beherrscht ist von Gewalt und Brutalität, von Hass und Rache. Einzig der Detektive Bobby Coyne ist ein menschlicher Polizist der verzweifelt versucht, das Gesetz durchzusetzen und das Schlimmste zu vermeiden. Seine Figur lässt den Leser im Strudel von so viel Wut ein bisschen aufatmen.
Es ist keine leichte Lektüre, die Lehane hier dem Leser zumutet, und doch fühlt man mit Mary Pat und bewundert nicht zuletzt ihren Mut, sich gegen die eigenen Leute zu stellen. Ich mag die Kombination aus Fiktion und den wahren geschichtlichen Geschehnissen. Eine Leseempfehlung für alle, die nicht zart besaitet sind.