Romantische Vorstellung?

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Gerade die letzten zwei Jahre und mehr noch die letzten Wochen haben wohl in vielen die Idee von der Selbstversorgung keimen lassen: romantische Vorstellung oder realistisch umsetzbar?

Klar ist schnell, dass es Marie Diederich ernst ist mit der Selbstversorgung, und zwar schon beim schieren Umfang dieses Buches. Es beginnt mit Maries Motivation, in die Selbstversorgung einzusteigen und ihren Traum wahrzumachen – sowie ihren (ziemlich optimalen) Voraussetzungen dafür. Ziel des Buches ist es, den Lesern verschiedene Wege in die Selbstversorgung zu zeigen und so die Möglichkeit zu eröffnen, sich den eigenen Weg auszusuchen. So enthält das Buch dann also Informationen zum Selbstversorger*innen-Garten mit Anleitungen, wie man so einen Garten anlegt, welche Pflanzen wo besonders gut gedeihen bzw. auch eiligen Gärtnern zügig Ertrag versprechen, was es mit dem Kompost auf sich hat, wie man quasi in die Permakultur einsteigt (Marie gewinnt auch ihr Saatgut selbst, zieht die Pflanzen vor und mahlt sogar ihr Mehl selbst) und abschließend Portraits von Maries „Lieblings-Selbstversorger*innen-Pflanzen“ von A wie Artischocke bis Z wie Zwiebel. Abgesehen von diesem eher gärtnerischen Teil gibt es dann einen, bei dem es um Tierhaltung geht: Da geht es um Hühnerhaltung (mit denen wohl die meisten einsteigen dürften) über Ziegen, Bienen bis zu Schafen und natürlich der jeweiligen Nutzung ihrer Produkte (ja, Marie melkt nicht nur ihre Ziegen und macht Käse daraus, sie spinnt auch Wolle selbst). Im letzten Teil geht es dann darum, die selbst gewonnen Produkte zu lagern, haltbar zu machen und Vorräte für den Winter anzulegen (z. B. Marmelade, Gemüsesuppe und natürlich Tomatensauce). Ein Glossar und ein Register bilden den Abschluss und unterstreichen den Fachbuchcharakter.

Marie Diederich schreibt mit Humor (anders ist es nicht erklärlich, warum sie die Frage stellt, ob man schon mal mit Hühnern geduscht habe) und das Buch lässt inhaltlich sicherlich kaum eine Frage angehender Selbstversorger offen: Es ist systematisch aufgebaut, zahlreiche Bilder veranschaulichen die Inhalte, und somit dürfte es sich als praxistauglich erweisen – allerdings zunächst mal für Menschen wie Marie Diederich, die faktisch keiner anderen Arbeit nachgehen als der Selbstversorgung bzw. der Präsentation ihres Lebens als Selbstversorger. Wer sich „neben dem Job“ her selbst versorgen will, wird hier schnell überfordert sein, denn Maries Konzept und Buch nimmt das Wort „Selbstversorgung“ eben wörtlich: Dein Garten ist dein Supermarkt. Stadtbewohnern ist das schon fast nicht möglich, aber darum geht es hier ja auch nur bedingt. Denn Marie Diederich will Mut machen, dass man nicht alles perfekt machen muss, sondern tun soll, was einem selbst guttut: Wer gärtnern will, soll gärtnern, wer Schafe halten, Wolle spinnen und Pullis stricken will, soll eben das tun. Ist man sich dieses sehr weit reichenden Ansatzes des Buches bewusst, ist es ein Volltreffer; wer nur „ein bisschen Selbstversorger“ sein will, den dürfte das Buch an vielen Stellen überfordern.