Vom Verwurzeln, Wachsen und Gedeihen: der Traum von Selbstversorgung – faszinierend und doch kaum greifbar

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nathi_taiwan Avatar

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Marie Diederichs Werk „Selbstversorgung“ ist bestimmt genau so schwer wie die Zucchinikeule, mit der sie über den Gartenzaun winkt. Es ist ein Buch geballt mit Informationen zu den verschiedensten Themen von A wie Anzuchtschale, B wie Brennnesseljauche, C wie C/N-Verhältnis, … bis eben, nun ja, zu Z wie Zucchinikeule: Marie Diederich deckt eine Bandbreite ab, die weit über das Anbauen von Obst und Gemüse im eigenen Garten hinausgeht. So werden ebenfalls Themen wie Anbaupläne, Nutztiere, Haltbarmachung, Wollproduktion und Mahlen behandelt. Bekannt ist die Autorin über ihren YouTube-Kanal „Wurzelwerk“ geworden, wo sie in vielen Videos Fragen rund um ihr Fachgebiet beantwortet.

Das Sachbuch ist optisch sehr schön und ansprechend gestaltet, die Fotos sind hochwertig, die Haptik großartig. Zusammen mit Marie Diederichs humorvoller Art bekommt man gleich Lust nach draußen in den Garten zu gehen und die Natur einzuatmen.

Viele Ideen, die Marie Diederich unterbreitet, sind klasse – setzen aber eine ganze Menge an Bedingungen voraus, bevor die Selbstversorgung überhaupt ihre ersten zarten Wurzeln schlagen kann. Die viele Fläche, die benötigt wird, ebenso wie die Werkzeuge im Garten und in der Küche. All das kostet Geld und Zeit, denn man legt sich nicht mal eben einen großen Garten zu, in dem auch Hühner und Ziegen leben könnten. Dasselbe gilt für Küchengeräte wie die Mehlmühle oder eine Vorratskammer, um gläserweise Eingemachtes zu lagern. Dies war mir natürlich auch schon vor der Lektüre bewusst. Deshalb sehe ich für dieses Werk insbesondere zwei Zielgruppen: zum einen für Leute, die wirklich den Schritt in die (partielle) Selbstversorgung gehen und dabei gekonnt begleitet werden wollen. Zum anderen für solche (wie mich), die die Vorstellung der Selbstversorgung fasziniert, die jedoch gleichzeitig wissen, dass es in ihrer aktuellen Lebenssituation nicht machbar ist und sie sich dennoch Einblicke wünschen. Statt als Leitfaden in die Selbstversorgung, habe ich dieses Werk daher eher als Autobiographie einer Selbstversorgerin betrachtet und viele spannende Eindrücke erhalten und Wissenswertes über Hof und Nutztiere erfahren. Nach der Lektüre bin ich nun nach wie vor fasziniert, allerdings auch zweifelnd: Diederich lässt vieles sehr spaßig und einfach klingen (hier mal zehn, dort mal fünfzehn Minuten investieren), dabei bin ich überzeugt, dass es – neben der Freude über die eigene Ernte – harte Arbeit und viel Zeit ist, die man mitbringen muss und die man neben einem Vollzeitjob und Freizeit kaum erledigen kann. Unterm Strich bleibt für mich daher die Idee der Selbstversorgung leider nur eines: ein faszinierender, aber vor allem weit entfernter Traum.