Ein merkwürdiges Buch

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libby196 Avatar

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Nach dem Lesen des Klappentexts habe ich eine spannende Geschichte über einen Mann, der sich in einen weißen Hai verwandelt, erwartet. Bekommen habe ich eine zähe Aneinanderreihung teilweise loser Episoden der Leben von unsympathischen Leuten. Die originelle Idee wurde denkbar langweilig umgesetzt.

Lewis und Wren lernen sich Anfang/Mitte 30 kennen und heiraten, kurz darauf bekommt Lewis die Diagnose, dass er sich in einen weißen Hai verwandelt. In der Geschichte werden solche Mutationen (zu Haien, Reptilien, Vögeln etc.) als recht alltäglich hingenommen, es gibt spezielle Abteilungen im Krankenhaus, die sich um die Menschen in den unterschiedlichen Verwandlungsstadien kümmern. Das ist ja schon merkwürdig genug, mir war aber das ganze Buch lang schleierhaft, ob das nur eine große Metapher für bestimmte Krankheiten sein soll?! Lewis vergisst nach und nach immer mehr seiner menschlichen Eigenschaften, soll das Demenz darstellen?

Als Charakter fand ich vor allem Lewis unerträglich. Er wollte mal Schauspieler in New York werden, daraus ist aber nichts geworden. Jetzt ist er Lehrer an einer High School, denkt aber die ganze Zeit, er sei etwas Besseres als alle anderen, ein verkanntes Genie und ach, so besonders. Das soll durch die eingeschobenen "Szenen" eines Theaterstücks verdeutlicht werden, das er geschrieben hat, die aber wirklich nicht bahnbrechend waren.

Wren konnte ich auch gar nicht greifen, und was sie an Lewis fand, wurde auch nicht deutlich. Sie ist quasi das Gegenteil von ihm, analytisch und rational. Dass sie angeblich eine so tiefe Liebe zueinander haben, war nicht spürbar, dazu ist der Schreibstil zu distanziert. Sie opfert sich eigentlich nur für ihn auf und muss die ganze Zeit gucken, dass alles so läuft, wie er es will/braucht.

Plötzlich wechselt die Erzählebene zur Kindheit von Wrens Mutter und erzählt super fragmenthaft und mit großen Zeitsprüngen, wie sie schwanger wurde und vom Verlauf von Wrens Kindheit. Dadurch versteht man Wrens Hintergründe natürlich besser, die ganze Passage fügt sich aber gar nicht in den Haupttext ein, das hätte man auch anders lösen können.

Auch mit dem Teil, in dem Lewis Leben im Meer beschrieben wird, konnte ich wenig anfangen. Er vergisst immer mehr und ist irgendwie in seiner eigenen Welt (was wieder zur Demenz passen würde). Ich verstehe auch, dass damit grundsätzliche philosophische Fragen wie "Was bedeutet Menschsein?" behandelt werden, gleichzeitig wird aber sein Blutdurst beschrieben und wie er andere Lebewesen bis hin zu einem frischgeborenen Walkalb frisst, als sei das total normal - hier ist für meinen Geschmack die Verbindung von Fiktion und Realität nicht nachvollziehbar.

Es ist kein Fantasybuch, aber auch keine realitätsnahe Erzählung. Bei mir bleiben einfach zu viele Fragezeichen zurück.

Am Ende des Buchs wird nochmal verdeutlicht, dass es allgemein um Verlust und Trauer geht, und wie man trotz allem wieder glücklich sein kann. Bis dahin zog sich das Buch aber, ich habe teilweise den Text seitanlang nur überflogen, weil der Inhalt so nichtssagend war. Und so bahnbrechend waren die "Weisheiten" jetzt auch nicht. Was mich persönlich gestört hat, war, dass Wren natürlich ausgerechnet schwanger war und nur durch ihre Tochter wieder glücklich werden konnte. Also nee.

Mein Eindruck war, dass das Buch sowohl sprachlich als auch inhaltlich irgendwie künstlerisch erscheinen wollte, mich hat diese Art der Erzählung aber gar nicht abgeholt. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, wenn eine Geschichte eher als Metapher verstanden werden soll. Hier fand ich es aber einfach nicht gut gelöst und der Schreibstil hat mir nicht gefallen.