Freunde in guten wie in schlechten Zeiten

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buecherfan.wit Avatar

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Nickolas Butlers Debütroman "Shotgun Lovesongs" entführt den Leser nach Little Wing in das nördliche Wisconsin. Er erzählt die Geschichte von fünf Freunden, die dort aufgewachsen sind und nie den Kontakt zueinander verlieren. Da sind Beth und Henry Brown mit ihren Kindern Eleonora und Alex, die etwa zehn Jahre zuvor geheiratet und den Ort nie verlassen haben. Sie verdienen auf der von den Eltern geerbten Farm mühsam ihren Lebensunterhalt. Leland Sutton genannt Lee ist der erfolgreichste und reichste von ihnen allen. Er hat mit dem Album Shotgun Lovesongs den Durchbruch als Musiker geschafft und ist viel in der Welt herumgekommen. Dann ist da noch Kip Cunningham, der neun Jahre lang in Chicago mit Rohstoffen gehandelt hat und ebenfalls reich geworden ist. Er hat sein ganzes Vermögen in die alte Futtermühle investiert und will damit seinen Heimatort zu neuem Leben erwecken. Der fünfte im Bunde ist der der ehemalige Rodeoreiter Ronny Taylor. Seit er im Suff schwer gestürzt ist und zu spät behandelte Gehirnblutungen erlitt, ist er leicht behindert und auf fremde Hilfe angewiesen. Lee unterstützt seinen engsten Freund finanziell. Zu Beginn des Romans heiratet Kip seine Braut Felicia, und die alten Freunde - inzwischen in den Dreißigern - kommen wieder einmal zusammen. In der Folge werden auch Lee und Ronny heiraten, und der Leser erlebt sowohl die Besäufnisse anlässlich der Junggesellenabende als auch die Hochzeitsfeiern mit. Tatsächlich sind es nicht drei, sondern vier Hochzeiten, denn gegen Ende des Romans wird auch die Hochzeit von Beth und Henry in einer langen Rückblende beschrieben.

Die Lebensgeschichte der fünf Freunde wird aus wechselnder Perspektive erzählt, wobei auch Ereignisse aus der Kindheit und Jugend zur Sprache kommen. In den durch den Anfangsbuchstaben des Namens gekennzeichneten Kapiteln erhalten alle abwechselnd das Wort. Krisen und Konflikte werden nicht ausgespart. Ehen geraten in die Krise oder scheitern gar, und die Freundschaft zwischen Lee und Henry wird durch einen spät offenbarten Vertrauensbruch auf eine harte Probe gestellt. Die Freunde entwickeln und verändern sich, driften auch räumlich auseinander, aber wenn es darauf ankommt, ist im entscheidenden Moment einer für den anderen da, rettet Leben oder bewahrt vor dem finanziellen Ruin.

“Shotgun Lovesongs” liegt mit dem Schauplatz im ländlichen Amerika voll im gegenwärtigen Trend. Den eigenartigen Titel verdankt der Roman der Analogie zu "shotgun wedding", der durch den Brautvater mit aufgesetzter Schrotflinte erzwungenen überstürzten Mussheirat. Den gleichen Grad von Dringlichekeit  hatte für Lee das Schreiben dieser Lieder unter dem Eindruck eines frischen Liebeskummers, den er anders nicht verarbeiten konnte (S. 224-225).  Der Roman liest sich gut und ist herzerwärmend in seinem Plädoyer für Liebe und Freundschaft, Treue und Vertrauen. Von der Übersetzung bin ich allerdings weniger angetan. Hier stören sprachliche Schnitzer, unidiomatische Wendungen (..., dass Kip sich mit der Mühle überhoben hat", S. 107, "..., dass sie einen Fetisch für Musiker hatte," S. 194 usw.) und Übersetzungsfehler. Dass bei Ronnys Hochzeit gefrorene Blechkuchen serviert werden (S. 332), müsste einem auch merkwürdig vorkommen, wenn man nicht weiß, dass “iced cakes” - wie es vermutlich im Original heißt - keineswegs gefrorene, sondern mit Glasur/ Zuckerguss überzogene Kuchen sind.

Insgesamt ist Nickolas Butlers Amerikaroman jedoch ein durchaus lesenswerter Roman und von daher zu empfehlen.