zu wenig Musik vor den Augen

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Shotgun Lovesongs beginnt damit, dass Henry, einer der fünf Protagonisten die weiteren Figuren kurz vorstellt. Neben seiner Frau Beth sind dies seine Freunde aus Kindertagen: Ronny, der einen schweren Unfall hatte sowie der erfolgreiche Geschäftsmann Kip, den es genau wie Rockstar Lee raus aus der Kleinstadt Little Wing und hinein in die große, weite Welt gezogen hat. Jedes weitere Kapitel wird abwechselnd von einem von ihnen erzählt. Kip ist es, der nun zurückkommt, um zu heiraten. Die fünf Freunde treffen wieder aufeinander und schon auf den ersten Seiten verspricht dies ein Zusammentreffen zu werden, das es in sich hat. Lee wird auf der Hochzeit einen seiner berühmten Songs singen, die ihm selber nur noch zum Hals raus hängen, da er sie alle für eine Frau geschrieben hat, mit der er niemals zusammen sein kann.
Und auch die anderen Figuren bringen durch ihre Geschichten & Hintergründe reichlich Würze in diese Story, sodass man sich schnell fragt, ob diese jahrelange Freundschaft am Ende des Buches noch Bestand haben wird.
Oder ob sie nun, wo alle um die 30 sind, überhaupt noch existiert. Denn wie das Leben die Geschichten nun mal schreibt, so leben sich Freundschaften auseinander, Ehen gehen kaputt und ein Leben verläuft selten so, wie man es ursprünglich geplant hat. Bei fast allen Figuren hat man das Gefühl, dass sie mit den Jahren weniger Freunde und mehr Bekannte, wenn nicht sogar Konkurrenten geworden sind. Jeder will es allen beweisen, jeder muss mit Enttäuschungen zurechtkommen, jeder ist auf das Leben eines anderen neidisch, was nicht selten in Missgunst endet.
Der zentrale Ort ist Little Wing, eine amerikanische Kleinstadt, in der die Figuren aufgewachsen sind. Einige hat es von dort weggezogen, die nun aber wieder zurück wollen. Andere haben es niemals von dort weggeschafft und träumen nur davon, die Welt zu sehen. Und einer, Henry, der möchte am liebsten niemals aus Little Wing fort.
Nickolas Butler erzählt mit einem sehr gegensätzlichen Schreibstil, welcher stellenweise selbst wie ein Songtext klingt und dann aber wieder einen sehr rauen Ton annimmt, der zur ländlichen Umgebung, in der das Buch spielt, passt.
Der Autor verschönert nichts und beschreibt so manchen Stolperstein, den das Leben uns in den Weg legt mit einer wortgewaltigen Treffsicherheit. Das Buch offenbart keine verstrickten Handlungen, keine überraschenden Wendungen oder Überraschungen. Shotgun Lovesongs erzählt das Leben von fünf Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die im Grunde nur eines verbindet: Ihre Heimat und ihre gemeinsame Kindheit in dieser.

So charmant und charismatisch das Setting auch war, leider wurde ich bis zum Ende das Gefühl nicht los, dass dem Buch etwas gefehlt hat. Es lag zum einen am besagten Schreibstil, der mir irgendwann einfach zu sprunghaft wurde. Weniger was die Wortwahl, sondern mehr was die Erzählweise betrifft. Die einzelnen Figuren springen immer wieder zwischen dem Hier & Jetzt und dem Damals hin und her und innerhalb eines Absatzes gibt es plötzlich Zeitsprünge von mehreren Stunden, wenn nicht Monaten, in denen Dinge passiert sind, bei denen ich als Leser einfach gerne dabei gewesen wäre. Für mich hat Nickolas Butler das wirklich Interessante oftmals umkreist, um sich den weniger packenden, oftmals sich wiederholenden Handlungen zu widmen.
Obwohl er sich Mühe gegeben hat, jede seiner fünf Figuren gleichberechtig zum Zuge kommen zu lassen, so hatte ich bei einigen nicht das Gefühl, sie am Ende wirklich zu kennen. Gerade Lee, dessen Musik und Songtexte einen noch viel größeren Stellenwert in dem Buch hätten einnehmen können, blieb mir fremd. Er selbst hat viel gesagt, es wurde viel über ihn erzählt und schlussendlich doch immer wieder da gleiche, was ich als Leser schon kannte.
Dies trübte für mich ein wenig die Atmosphäre, die dieses Buch kreieren wollte. Shotgun Lovesongs ist eine realistische Geschichte, der es allerdings ab und zu etwas an Spannung und Abwechslung mangelte. Nichtsdestotrotz ein Buch, das einen gut unterhält und einem aufzeigt, das eben nicht immer alles im Leben glatt läuft, nicht alles für immer ist und das Leben trotzdem irgendwie immer weitergeht.