Einsam, verlassen und doch aufregend und wunderschön

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leseschneckchen555 Avatar

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Der berufliche Erfolg mag sich bei der zweiundzwanzigjährigen, freien Journalistin Liv nicht richtig einstellen. Als sich der erhoffte Aufstieg als Flop herausstellt, ist für Liv klar, dass sie ihren Job in dem Verlag erst einmal los ist. Am selben Abend noch ertränkt sie ihren Kummer in Gin Tonic ohne Tonic und durchstöbert die Stellenangebote. Eine Anzeige mit dem Titel „Auszeit“ erregt ganz besonders ihre Aufmerksamkeit. Noch im beseelten Zustand des Alkohols bewirbt sie sich, ohne genau zu wissen, worum es eigentlich geht. Als sie am nächsten Morgen einen Rückruf auf ihre Bewerbung erhält, fällt sie aus allen Wolken. Ohne sich wirklich genau an ihr Bewerbungsschreiben zu erinnern, organisiert sie ein Treffen mit dem Herrn am Telefon. Nach dem rasch darauffolgenden Vorstellungsgespräch und einer Nacht zum Nachdenken, willigt sie dem Angebot ein. Sie wird in den nächsten sechs Monaten einen Leuchtturm auf einer Insel an der irischen Küste hüten, und zwar ganz allein.
Bereits am Flughafen in Irland begegnet sie dem attraktiven Kjer, der sich nicht nur als ihr Chauffeur zur Insel, sondern auch als Lieferant ihrer Lebensmittel für die nächsten sechs Monate herausstellt. Ihre neu gewonnene Freundin Airin, die das Bed and Breakfast an der Küste betreibt, gibt ihr den gut gemeinten Rat, sich nicht zu sehr in Kjer zu vergucken. Doch Liv kann ihrem drängenden Wunsch, diesem Mann näherzukommen, nicht widerstehen. Statt ihre Gedanken freizubekommen, kreisen sie unentwegt um den gutaussehenden Iren, der ihr schon so manches Mal aus einer verzwickten Lage herausgeholfen hat. Es kommt unweigerlich dazu, dass sich so etwas wie eine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Sie teilt mit ihm ihre Gedanken und spricht über ihre Ängste. Schließlich ist er einer der wenigen Menschen, die ihr begegnen, einer ihrer Hauptbezugspersonen und ihr erster Gesprächspartner. Liv möchte nicht wahrhaben, was an allen Ecken über Kjer erzählt wird. Doch nach einem Besuch im Pub, in dem Kjer Musik macht, ist auch ihr schnell klar, dass er ihr niemals allein gehören wird. Er wird von sämtlichen Frauen der Umgebung umschwärmt, trotz all der zweifelhaften Gerüchte um ihn.
Der Start ins Buch fiel mir mehr als leicht, denn diese besondere Geschichte hat meine Neugierde geweckt. Sechs Monate ganz allein auf einer Insel? Ich wollte Liv bei ihrem Abenteuer unbedingt begleiten. Ich musste einfach wissen, wie sie es anstellt, das Leben in Hamburg hinter sich zu lassen, um es von nun an ganz allein im Leuchtturm zu meistern. Seit einer schlechten Erfahrung in ihrer Kindheit, leidet sie unter panischer Angst im Dunklen. Schnell wird diese Tatsache zu einem richtigen Problem. Sie bemüht sich Stück für Stück, sich diesen Ängsten zu stellen. Sie erlegt sich Mutproben auf und veröffentlicht diese in ihrem eigenen, neuerstellten Blog, der sich rund um den Leuchtturm dreht. Außerdem versucht Liv durch die Einsamkeit, dem wahren Sinn ihres Lebens näherzukommen. Was ihr vorher wichtig erschien, ergibt plötzlich keinen Sinn mehr. Andere Dinge hingegen rücken dafür in den Vordergrund. Es war interessant, diese Entwicklung zu verfolgen. Ich war erstaunt, wie gut die Autorin eine Situation, wie das einsame Leben im Leuchtturm, indem eigentlich nicht viel passiert und der Schauplatz so klein ist, trotzdem so unterhaltsam beschreiben konnte. Genauso gut versteht sie es, die Landschaft Irlands, die Insel und den Leuchtturm eindrucksvoll und bildreich wiederzugeben.
Liv wirkt liebenswert und sympathisch. Ihr Pech im Job und ihre Art damit umzugehen, fand ich von Anfang an sehr unterhaltsam. Ihre hin und wieder leichte Tollpatschigkeit und Hilflosigkeit waren amüsant und weckten manchmal das Gefühl in mir, sie in den Arm nehmen zu müssen. Ebenso riefen ihre Missgeschicke in mir aber auch oft richtige Spannungsmomente hervor.
Kjer wirkt geheimnisvoll, etwas unnahbar und unglaublich gutaussehend. Er dominiert durch seinen Charme. Selbst als Leser mochte ich, so wie Liv, den Dorfbewohnern einfach keinen Glauben schenken als ich erfuhr, was über ihn erzählt wird. Ohne es zu wissen, sind sich Liv und Kjer unglaublich ähnlich. Beiden hat die Vergangenheit hart mitgespielt. Sie haben die verdiente Liebe nicht bekommen können und wurden vom Leben auf unterschiedliche Weise enttäuscht. Auch wenn Kjer in der Vergangenheit jeder Frau das Gefühl gegeben hat, etwas Besonderes zu sein und es am Ende nicht funktioniert hat, so hoffte ich doch die ganze Zeit über, dass es bei Liv diesmal anders ist.
Diesen wundervollen Roman empfand ich als sehr kurzweilig. Ich strebte jeder neuen Seite entgegen und wollte einfach nur die Entwicklung zwischen Liv und Kjer verfolgen. So war das Buch letztendlich schneller gelesen, als mir lieb war. Es freut mich aber, dass zu dem ersten Band der Leuchtturm-Trilogie, noch in diesem Jahr zwei weitere Bände erscheinen werden. In diesen wird es einmal über Liv’s neugewonnene Freundin Airin gehen. Das weitere Buch handelt von Seanna, der Bedienung des Brady`s, dem einzigen Pub des kleinen Küstendorfs. Ich freue mich darauf!