Berührende Geschichte

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In Sibir erzählt Sabrina Janesch eine berührende Geschichte über Identität & Ankommen, über Erinnerung & Vergessen.

Der 9-jährige Josef Ambacher wird 1941 mit seiner Familie in die kasachische Steppe verschleppt, auf dem Weg stirbt sein kleiner Bruder, die Mutter verschwindet in einem Schneesturm. Ihr „Verbrechen“ ist ihre deutsche Herkunft, die Nazis haben die Sowjetunion überfallen. In „Sibir“ wie sie das mal eisige, mal brütend heiße Land nennen, kämpft die Familie ums Überleben, stößt auf Misstrauen & Hass gegen „die deutschen Nazis“ & findet doch Hilfe bei anderen Menschen die kaum mehr haben. Denn fast alle in dieser Elendssiedlung, in der Erdhütten die Regel sind, wurden selbst verschleppt, gehören Minderheiten im Sowjetreich an, sind Stalin suspekt: Russlandkoreaner, Russlanddeutsche, Finnen, Karatschaier, Kalmücken, Tschetschenen, Inguschen, Balkaren, Krimtataren. Und alle haben (berechtigterweise) Angst davor im Gulag zu enden.

Doch Josefs Leben in der Weite Kasachstans ist auch aufregend. Mit seinem kasachischen Freund Tachawi erlebt er zahllose Abenteuer & so erzählt dieses Buch auch die Geschichte eines Aufwachsens unter ungewöhnlichen Umständen. 1955 werden Ambachers schließlich frei gelassen & landen als „Heimkehrer“ im niedersächsischen Mühlheide.

Erzählt wird in dem Roman auch die Geschichte Leila Ambachers, Josefs Tochter. Aus ihrer Perspektive erleben wir den Umbruch Anfang der 90er, als plötzlich in großer Zahl Deutschstämmige aus der zerfallenden Sowjetunion in Mühlheide ankommen. Die seit Jahrzehnten dort lebenden „Altsibirier“ sind gespalten, Mitleid & ängstliche Abscheu (auch vor dem eigenen Schicksal) prägen das Klima. Doch Josef hat eine klare, sehr kasachische Antwort: Gastfreundschaft. Die Ereignisse spülen aber unterdrückte Erinnerungen nach oben…

Sibir ist ein wahnsinnig gut geschriebenes Buch, das kaum jemanden kalt lassen wird. Mehr als eine Stelle hat uns zu Tränen gerührt. Sabrina Janesch gelingt es meisterhaft das Schicksal der Betroffenen zu schildern & gleichzeitig einen sehr spannenden Abenteuerroman zu schreiben. Ein klare Empfehlung für dieses tolle Stück Literatur