Deutsch - Russische Vergangenheitsbewältigung

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jeannine_m Avatar

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Ich verzichte hier bewusst auf eine Zusammenfassung des Romans, da diese bereits zahlreich in anderen Rezensionen beschrieben wurde.

Sowohl das Cover als auch die Leseprobe haben mich sehr angesprochen und ich war gespannt auf das Leseerlebnis. Dieses blieb leider weitestgehend aus. Die Autorin hat ein sehr wichtiges Kapitel der deutsch-russischen Geschichte in Angriff genommen. Ihre Sprache ist eigenwillig, die zwei Erzählstränge oft abrupt wechselnd, trifft aber sehr genau die Eindrücke einer Steppenlandschaft mit ihren Bewohnern als auch die Charaktere der Personen.

Die lebensbegleitenden Themen, die Aussiedler und Rückkehrer belasten, sind ausführlich und gut beschrieben. Da ist das Denken in Fluchtwegen und Notausgängen, die Schwierigkeiten, sich drinnen und draussen aufzuhalten, die Ansiedelung in Aussenbezirken und als Eigenbrötler und Sonderlinge behandelt zu werden von den Alteingesessenen.

Die Tochter Leila von Josef, der mit zehn Jahren mitsamt der Familie 1945 nach Kasachstan verschleppt wurde, versucht in den 90iger Jahren, die Lebensgeschichte ihres Vaters aufzuarbeiten. Josef stellt eine Verbindung dar zwischen den Rückkehrern der 50iger Jahre und denen nach dem Zusammenfall der Sowjetunion. Die Probleme der Menschen ähneln sich sehr. Das nirgends zuhause sein und sich nicht auf das Leben einlassen zu können prägt diese Menschen.

Leider beschränkt sich die Autorin meistens auf belanglose dahin plätschernde Handlungen, die mich nie richtig eintauchen liessen. Immer, wenn es spannend wurde, wechselte der Erzählstrang und ich verlor wieder den Bezug. Die Geschichte von Josef ging durch die Erzählungen der kindlichen Abenteuer von Leila und ihren Freunden unter. Ich hätte gerne mehr über das Leben von Josef erfahren, so blieb alles etwas an der Oberfläche.

Die angesprochenen Themen und Probleme von Siedlern und Rückkehrern sind wichtig und auch in der Gegenwart aktuell. Sabrina Janesch hat gut recherchiert, nur in der Umsetzung und im emotionalen Mitreissen der Leser*innen fehlt es für mich.