Langatmig

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Das Cover hat mir zwar gar nicht gefallen, aber es hat mich neugierig gemacht! Der interessante Klappentext und die Leseprobe, die mir sehr gut gefallen hat, haben mich dann zum gnazen Buch greifen lassen; und ich war sicher, dass es genau meinen Geschmack treffen wird.

Der 10-jährige Josef wird mit seiner Familie nach Sibirien vertrieben und kommt erst Jahre später nach Deutschland. Hier gründet er zwar eine Familie, um seine Zeit in Sibirien jedoch macht er ein großes Geheimnis. Erst als durch seine Demenz droht, dass wirklich alles in Vergessenheit gerät, erzählt er seiner Tochter von seinen Erlebnissen. Und damit bekommt der Leser Einblicke in ein wichtiges, aber eher unbekanntes Kapitel deutsch-russischer Geschichte.

Ist mir der Einstieg noch gut gelungen und konnte ich mich an dem zwar eigenwilligen, aber eindringlichen Schreibstil erfreuen, hat diese Freude schon bald nachgelassen. Erzählt wird sowohl die Geschichte Josefs als Kind als auch sein Leben in der Gegenwart. Die Sprünge zwischen den beiden Zeitebenen sind oft abrupt und Verbindungen zwischen ihnen fehlen, so dass es mir schwer gefallen ist, mich in die beiden Erzählstränge einzufühlen. Dazu sind mir auch die Charaktere eher fremd geblieben – und ich weiß nicht genau, woran das eigentlich liegt. Denn gezeichnet ist gerade Josef sehr gut, und auch die Nebenfiguren haben von der Autorin ein eigenes Gesicht erhalten. Man lernt sie vor allem durch viele kleine Geschichtchen und Erlebnisse kennen, die alle für sich genommen gar nicht immer besonders sind, die aber natürlich prägen. Natürlich ist das „Vertriebenwerden“ ein schreckliches Erlebnis, und trotzdem konnte ich den Schmerz nicht richtig fühlen, weil alles leise und irgendwie nebenbei erzählt wird. Ich bezweifle nicht, dass die Autorin gut recherchiert hat, trotzdem fühlte ich mich wie ein unbeteiligter Zuschauer bei all den geschilderten Problemen – angefangen vom Verschwunden einzelner Familienmitglieder, großen und kleinen Abenteuern des jungen Josefs bis hin zu Streitigkeiten verschiedener Landsmänner.

Ich hatte schon gesagt, dass die Sprache eigenwillig ist, manchmal sperrig, manchmal auch einfach schön, stets ruhig, oft aber auch belanglos, obwohl doch Großes und Wichtiges geschieht. Wissen sollte man, dass die wörtliche Rede nicht durch entsprechende Zeichen angezeigt ist – manche mögen das nicht. Gefallen hat mir aber, dass auch sprachlich immer wieder eingeflochten wurde, wie verloren Josef sich oft fühlte, in dem einzelne Vokabeln in verschiedenen Sprachen seine Zerrissenheit zeigten.

Insgesamt ist bei mir leider der Eindruck entstanden, dass die Geschichte leise vor sich hin plätschert und relativ willkürlich zwischen den Erzählebenen hin und her gesprungen wird. Das ist schade, denn so war es dann leider langatmig und auch nicht spannend. Ich kann daher leider „nur“ 3 von 5 Sternen vergeben.