Mehr Mühlheide als Sibir

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mrschaosqueen Avatar

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In Sibir macht sich Autorin Sabrina Janesch auf, ein - zumindest in meiner Wahrnehmung - bisher eher unbeachtetes Kapitel der deutsch-russischen Geschichte näher zu beleuchten.
So steht im Zentrum beider Erzählstränge das Schicksal der in der Sowjetunion Zivilverschleppten bzw. deren Nachfahren.
Der in Rückblenden erzählte Handlungsstrang dreht sich rund um den 10-jährigen Josef Ambacher und seine Familie, die nach Ende des Krieges zusammen mit zahlreichen anderen Familien nach Sibirien verschleppt werden.
In einer zweiten Handlungsebene wird nun Josefs Kindheit mit der seiner Tochter Leila kontrastiert, die nach dessen "Rückkehr" nach Deutschland im beschaulichen Mühlheide aufwächst und sich dort nach der Ankunft zahlreicher Russlanddeutscher zunehmend mit der Vergangenheit ihres Vaters konfrontiert sieht.

Leider hat das Buch meine Erwartungen absolut nicht erfüllen können:

Erzähltechnisch haben die zahllosen Zeitsprünge zwischen den Erzählsträngen keinen wirklichen Lesefluss ermöglicht, sodass die Lektüre sich sehr gezogen hat. Insbesondere die Stellen, an denen zurück in die "Gegenwart" zu Leila gewechselt wurde, waren meiner Ansicht nach unglücklich gewählt und haben häufig mein gerade entstehendes Gefühl für die Lebenswelt des kleinen Josef abgekappt.

Auch wenn man die gesamte Handlungsstruktur in den Blick nimmt, hatte ich mir hier deutlich mehr erhofft. Das Buch heißt Sibir, der Fokus liegt aber - allein schon vom Erzählumfang her - ganz klar auf der Erzählebene in Mühlheide. Hierzu war mir Leila als Protagonistin leider viel zu platt und uninteressant - sie hätte sich meinem Gefühl nach viel eher als Spiegel für das spannende Leben des Vaters geeignet, stattdessen wurden ihre - teils doch sehr trivialen und irrelevanten - Erlebnisse breit auserzählt und haben mich als Leser mehr gelangweilt als der Geschichte näher gebracht.

Insgesamt muss ich leider sagen, dass ich das Thema des Buches wahnsinnig spannend und gut gewählt finde, es mir in der tatsächlichen Handlung allerdings dann viel zu kurz kommt. Ich weiß auch nach der Lektüre leider nur sehr wenig über die Masse der Zivilverschleppten - auch hier hätte sich eine Einbindung der Tochter als "Chronistin" des Schicksals ihres Vaters und seines Volkes angeboten - und bestenfalls ein klein wenig über das persönliche Schicksal der Familie Ambacher.