Sie ging nie zurück

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Der Roman „Sie ging nie zurück“ von Emma Brockes erschien 2014 im Deutschen Taschenbuch Verlag und wurde von Sophie Zeitz aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
Die junge Frau Emma erzählt ihre Familiengeschichte, die sie sich mühsam nach dem Krebstod ihrer Mutter selbst in der Welt zusammensammeln muss. Dabei deckt sie einige dunkle Flecke in der Vergangenheit ihrer Mutter und deren Geschwister auf, von denen sie an manchen Stellen wünscht, sie hätte nie von ihnen erfahren.
Neben Emma und ihrer afrikanischen Mutter lernt der Leser auch Emmas englischen Vater kennen. Dazu gesellen sich einige Freunde der Familie und natürlich die Geschwister, Nichten und Neffen der Mutter, als auch ihre Großeltern obwohl diese nicht mehr leben.
„Eines Tages werde ich dir meine Lebensgeschichte erzählen, da wirst du staunen“ so verspricht es Emmas Mutter ihr mehrmals, doch als sie dann viel zu früh an Lungenkrebs verstirbt, hat Emma noch gar nichts aus der Vergangenheit ihrer Mutter erfahren. Zunächst bleibt ihr wenig Zeit um zu recherchieren und zu trauern, denn sie muss gemeinsam mit ihrem Vater die Beerdigung und den Hausverkauf organisieren, das Haus ausräumen und Gegenstände aus dem Leben ihrer Mutter entsorgen. Nach langem Hadern tritt sie die Reise nach Südafrika an, um die Familie ihrer Mutter kennenzulernen und mehr über die immer wieder angedeuteten Familiengeheimnisse herauszufinden. Zunächst recherchiert Emma in alten Zeitungsartikeln und entdeckt, dass ihr Großvater vor langer Zeit wegen Mordes verurteilt wurde. Die folgenden Gespräche mit ihren Onkels und Tanten sind nicht immer eine Hilfe beim Aufdecken der lange gehüteten Tabus und Emma scheut sich oft davor diese wunden Punkte anzusprechen. Im Verlauf der Geschichte erkennt sie, welch tiefe Wunden die Taten ihres Großvaters den kleinen Kinderseelen zugefügt haben, die ihm anvertraut waren.
Emma Brockes begibt sich auf eine Reise, die keineswegs frei ist von Zweifeln und Frust. Sie stellt neben den Errungenschaften ihrer Entdeckungstour vor allem die vielen inneren und äußeren Widerstände dar, auf die sie gestoßen ist. Dabei zwingt sie ihre Familie mütterlicherseits mit auf diese Reise in die Vergangenheit zu gehen und stößt dabei nicht nur auf Missmut, sondern auch auf tiefe seelische Dramen. Am Ende entsteht eine Aufarbeitung sowohl ihrer eigenen, als auch der Identität ihrer Mutter. Es ist eine etwas andere Liebeserklärung und Verabschiedung an die Mutter, die ihr viel zu früh genommen wurde.
Dennoch hinterlässt dieses Buch ein Gefühl von Unvollkommenheit. Mir erscheint die Geschichte nicht abschließend geklärt. Vielleicht entsteht dieser Eindruck, weil der Schuldige, der Großvater nicht selbst zu Wort kommen kann. Das Bild von ihm bleibt unscharf und lückenhaft. Dies erscheint mir als ein wesentlicher Mangel.
Nichtsdestotrotz empfiehlt sich dieses Buch für Leser, die um das Unrecht in der Welt wissen und die klaren Blickes eine wahre Lebensgeschichte lesen können ohne den Glauben an das Gute im Menschen zu verlieren.