Sie konnten mich nicht töten

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raschke64 Avatar

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Soraya wächst in Afghanistan auf. Ihre Familie ist gehobenes Bildungsbürgertum, gut betucht mit einem modernen Vater, der auch die Töchter zu Schule gehen lässt. Kabul ist für sie die Heimat, die Familie und heile Welt. Sie hat nie eine Burka getragen, ist frei aufgewachsen im Schutz der Familie und glücklich. Nach der Heirat mit ihrem Cousin folgt sie diesem nach Deutschland, weil er dort studiert. Aber sie hat unheimliches Heimweh und ist in Deutschland nicht glücklich, die Familie fehlt ihr und trotz ihres bald geborenen ersten Sohnes möchte sie nur zurück nach Afghanistan. Die kurzen Besuche sind Soraya zu wenig.
Doch dann besetzt die Sowjetunion Afghanistan. Soraya arbeitet inzwischen in Kabul als Nachrichtensprecherin und muss bald vor den Soldaten fliehen. Sie geht wieder zu ihrem Mann nach Deutschland und bald weiß sie, dass erst einmal eine Rückkehr in ihre Heimat nicht möglich sein wird. So lernt sie Deutsch und beginnt zu arbeiten, lange Zeit bei der Post. Bis die Russen Afghanistan verlassen und der Krieg zwischen den verschiedenen Fraktionen das Land zerreißt. Die Nato entsendet Soldaten, auch ein deutsches Kontingent. Und so macht Soraya eine Ausbildung und geht als Dolmetscherin der Bundeswehr in ihr Heimatland.
Das Buch hat mir gut gefallen. Soraya schildert aus Insidersicht – wenn auch aus Sicht der oberen Klasse – das Leben und die Kultur im Afghanistan vor dem Einmarsch der Sowjetunion, sie beschreibt die gravierenden Änderungen, die Flucht vieler Menschen und den Krieg, der nach Abzug der russischen Truppen beginnt. Sie beschreibt ihre Motive, nach Afghanistan zurückzukehren, den Verlust der Heimat und die Gründe für ihren Bundeswehreinsatz. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was sie tut, aber man kann sie verstehen. Manchmal ist sie sicher naiv, aber in ihrer Naivität liegt auch die Kraft, die Hilfe einfach zu bringen, nicht lange zu fragen, sondern zu handeln. In Afghanistan vor allen den Schwächsten, den Kindern und Frauen, den Waisen zu helfen. In kleinen Schritten, oft mit minimalem Erfolg, aber auch ein kleiner Schritt kann eine große Hilfe sein. Sie beschreibt die Kameradschaft in der Bundeswehr und stellt sich mehr und mehr die Frage, ob ihre Einsätze wirklich hilfreich sind. Für sich selbst beantwortet sie diese Frage immer mit einem Ja – einem Ja an ihre Heimat. So findet sie auch nach dem Anschlag und dem schweren persönlichen Verlust immer noch die Kraft, die Menschen in Afghanistan sehr differenziert zu bewerten. Soraya ist eine starke Frau – eine Frau, der meine Hochachtung gehört.