Tiny leben live.

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Die Autorin ist Journalistin und für eines ihrer Projekte wollte sie drei Monate in einen Campingwagen ziehen – ausgerechnet im Winter. Aus den drei Monaten wurden anderthalb Jahre und jede Menge philosophischer Gedanken, an denen Hahnfeldt ihre Leser teilhaben lässt.
Gerade Freiberufler, schreibt sie am Ende, seien prädestiniert für ein Leben, wie sie es so viele Monate geführt hat. An keinen Ort gebunden, wenig Besitz, freie Gedanken, denn alles was es brauche, seien ein Internetanschluss und ein Laptop. Mir selbst ist dieser Gedanke auch schon ein paarmal gekommen (ich bin Freiberuflerin), aber so ein Leben auf sieben Quadratmetern und ohne großen Komfort (Gemeinschaftsduschen auf dem Campingplatz etc.) erfordert auch einiges. Was genau und wie es sich mit traumhaftem Blick auf einen See, in dem man auch baden gehen kann, ertragen lässt, davon berichtet Hahnfeldt im Tagebuchstil.
Im Winter ist ihr Campingplatz fast menschenleer, nur wenige verirren sich dorthin. Im Bademantel zur Dusche gehen oder nackt in den See springen – kein Problem. Anstrengend wird es erst, wenn jede Menge Urlauber, die oft nicht lange bleiben, dazukommen. Leider achten nicht alle auf Hygiene und Sauberkeit, Lärm … Doch die Autorin hat ebenso nette und eindrückliche Menschen getroffen. Jene, die ihr das eigene Schicksal erzählt haben. Oft machen diese keinen Urlaub, sondern leben nach schweren Schicksalsschlägen auf einem Campingplatz. Die hohen Mieten in den deutschen Städten tragen ihr eigenes dazu bei. Dabei ist es (noch) nicht erlaubt, dort zu wohnen, es muss eine feste Meldeadresse her (die über Verwandte oder Freunde zu besorgen ist). Im Jahr 2020 haben so viele Menschen auf diese Art gelebt wie nie zuvor.
Hahnfeldt schreibt locker und manchmal fast lyrisch, lässt den Leser an ihren Gedanken, Freuden und Schwierigkeiten teilhaben. Leider geht sie dabei nicht in die Tiefe. Es wird oft nur ein Umstand genannt, aber nie so recht gezeigt (vermutlich fing dieses Projekt als Blogbeitrag an?). Wer sich damit zufrieden gibt, kommt in jedem Fall auf seine Kosten. Ihr zentrales Thema bewegt sich dabei nahe der Frage, was es eigentlich im Leben alles braucht und warum die meisten in diesem Land nach immer mehr und mehr streben, als gäbe es dafür eine Liste, die abzuhaken ist.
Am Ende hat die Autorin einen umfangreichen Anhang drangesetzt. Sie hat Menschen interviewt, die im Camper oder Tiny House wohnen und es nicht bereuen. Es folgen wichtige Internetadressen und Anlaufstellen für Interessierte. Mit welchen Kosten ist zu rechnen? Was braucht es, um im alltäglichen Leben klarzukommen? Einige Rezepte schließen sich an.
„Sieben Quadratmeter Glück: Mein Leben im Camper“ ist ein gut und schnell zu lesender Erfahrungsbericht, der sich nicht nur an Camper oder Aussteiger richtet.