Kein Nekrolog

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tochteralice Avatar

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Die Journalistin Anja Reich spürt ihrer Freundin Simone nach, die vor langer Zeit - nämlich 1996 - Selbstmord beging, indem sie sich aus ihrem Mietshaus stürzte. Leider war es hoch genug.

In diese Reminiszens an Simone ist einiges an Themen, an Textarten eingeflossen, es ist ein vielseitiges, keineswegs nur trauriges Werk geworden: unter anderem eine Art Sozialgeschichte der späten DDR bzw. der Übergangsjahre in die Wiedervereinigung bezogen auf die Generation der jungen Erwachsenen, eine Liebeserklärung an die Freundin, verbunden mit Erinnerungen.

Auch die Suche nach Ursachen, nach Gründen: die Autorin hat sich tief hinein begeben in diese Fragestellungen in Bezug auf den Suizid, hat verschiedene Theorien studiert, mit Therapeuten gesprochen und vieles mehr.

Es ist ein kluges und sehr persönliches Buch geworden, ein sehr ungewöhnliches Werk, man könnte es auch ein Lebenswerk nennen, hat Anja Reich doch so viel von sich selbst hineingepackt.

Ich verneige mich vor ihrem Mut, ihrer Bereitschaft, sich selbst darzulegen, den Lesern zu präsentieren, denn die Erinnerungen an Simone sind gleichzeitig welche an sich selbst. Sie sind nicht schonungslos - ich finde es sehr gelungen, dass hier nicht im herkömmlichen Sinne gewertet und schon gar nicht abgestraft wird - das macht das Buch trotz des schweren Themas auf gewisse Weise leicht zu lesen. Eine ausgesprochen lohnenswerte Lektüre für Leser, die nicht vor Extremen in jeder Hinsicht zurückschrecken.