Tief bewegend

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
kasimir Avatar

Von

Die Autorin Anja Reich setzt ihrer Freundin Simone, die sich im Alter von 27 Jahren das Leben nahm, ein literarisches Denkmal. Seit damals beschäftigt sie immer wieder die Frage nach dem Warum und ob sie die Tat, die für sie völlig überraschend kam, hätte verhindern können. Nach mehreren Anläufen ist nun dieses Buch entstanden, für das sehr viel recherchiert worden ist, die Familie, die Freunde befragt wurden, aber auch Experten zu diesem schwierigen Thema, das noch immer tabuisiert wird.

Ich hatte zunächst gehofft, es handele sich „nur“ um einen Roman, eine fiktive Geschichte, aber Simone hat tatsächlich gelebt und es sich und ihren Mitmenschen nicht immer leicht gemacht. Die Autorin wertet Simones Tagebücher aus, vergleicht sie mit ihren eigenen Erinnerungen und denen von Simones Weggefährten, erfährt viel über Simones Vorfahren und macht deutlich, dass unser Lebenslauf auch immer mit den Läufen der Geschichte zusammenhängt. Hier fand ich insbesondere auch die Schilderungen aus der Vorwende- und Wendezeit in Ostberlin interessant und wichtig, auch eine Bestätigung der eigenen Erinnerungen - und ein Staunen über die vielen verschiedenen Wege, auf denen wir seitdem gegangen sind.

Anja Reich schreibt hervorragend - nüchtern, aber keineswegs negativ. Die Journalistin bleibt trotz des sehr persönlichen Bezugs unheimlich sachlich, dennoch ist das Buch spannend und man spürt die Arbeit und Mühe, die hier aufgewandt wurden. Mir gefällt auch das Eingeständnis, dass wohl niemand Simone und ihre Tat am Ende ganz verstehen kann. Was die Autorin dazu tun konnte, hat sie getan, auch für sich. Es ist kein schönes, aber ein sehr gutes Buch. Klare Leseempfehlung.