Der letzte Überlebende vom dritten Reich

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kindder80er Avatar

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Ich habe ja einen Hang zu verrückten, schrägen Stories, weshalb der Klappentext von "Sirius" einfach meine Aufmerksamkeit auf sich ziehen MUSSTE!

Auch wenn man aufgrund der ernsten Kulisse keine Schenkelklopferkomödie erwarten darf, musste ich doch einige Male schmunzeln. Da wäre zum einen der Satz, den ich als Titel ausgewählt habe: "Der letzte Überlebende vom dritten Reich". Damit wird nicht das Ende des Buches vorweggenommen, sondern erklärt, dass nur Sirius vom dritten Wurf des Züchters, der nunmal "Reich" hieß, überlebt hat. Wie es dazu kam, ist überhaupt nicht zum Schmunzeln, aber wenn einem dann so ein Kurzsatz zwischen die Augen geworfen wird, muss man einfach bitter auflachen. Überhaupt hat das Buch schon einiges zu bieten, was historisch belegt ist. Es gab diesen Dackel Kurwenal tatsächlich. Es gab auch einen Hund, dessen "Gedichte" abgedruckt wurden ("Arli", Hund einer Tochter Thomas Manns). Hier im Buch wurde daraus Jakob (aus dem "zweiten Reich"), aber irgendwie musste Sirius ja eine Art Stammbaum bekommen.

Auch wenn es im Klappentext heißt, es würde aus der Perspektive des Hundes erzählen, wird im Buch vom Hund Sirius in der dritten Person gesprochen. Ist mir sogar ein bisschen lieber, als wenn er selbst zum Leser sprechen würde. Trotzdem kann man behaupten, dass der Roman aus seiner Sicht erzählt, da seine Bedürfnisse, Eigenheiten und Beobachtungen oft im Mittelpunkt stehen. Überhaupt ist die Sprache relativ nüchtern und kurzfassend, aber dennoch bildhaft. Man kann sich den kleinen drahtigen Terrier richtig gut bei seinen Kunststückchen vorstellen. So wird ihm beigebracht, beim Hochhalten von "Mein Kampf" die rechte Vorderpfote zu heben und es wird darüber nachgedacht, das Kunststück geringfügig zu erweitern, so dass er sich auf das ganze Machwerk "erleichtern" möge. Im Hause Liliencron gehen zum Teil auch illustre Gäste ein und aus: Hans Fallada und Käthe Kollwitz gehören dazu und die Liliencrons sind nicht gewillt, sich vertreiben zu lassen.

Irgendwann ist es dann leider doch soweit und die Liliencrons müssen fliehen. Nach schrecklichen Ereignissen, die kurzfristig auch die Familie trennen, bekommen sie prominente Hilfe aus Hollywood. Die dann zum Teil überbordenden Aufzählungen von Promis in Hollywood und deren Parties sind oft mühsam zu lesen, beschreiben aber auch die (nicht nur) zu dieser Zeit herrschende Oberflächlichkeit und damit auch Kurzlebigkeit. Schon allein die Handlung, dass Sirius einen anderen Hundestar binnen kürzester Zeit vom Thron gestoßen hat (und vor allem WIE) ist eine schöne Allegorie auch zum heutigen Zeitgeist.

Ich muss dem Autor aber auch eine sehr gute Recherche zusprechen. Wer mit wem damals in Kontakt stand und wie die Verhältnisse waren, stimmt größtenteils tatsächlich - man erfährt so eine Menge über Clark Gable, Billy Wilder, Humphrey Bogart und Peter Lorre.

Nach der schillernden Zeit in Hollywood gerät Sirius zum Zirkus und über Umwege zurück nach Berlin und in den Dunstkreis Hitlers... Und das alles in nur knapp 300 Seiten eines relativ kleinen Buches... Wow!

Eine Geschichte, die mir unter die Haut gegangen ist!