Der Osten hatte auch sein Gutes

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Wodka, Sowjetstern, Folklorestickereien, dazu ein gutaussehender Mann: Das vermittelt sofort das Bild vom europäischen Osten. Ein stimmiges Cover, das an die Bücher von Alina Bronsky erinnert.
Dem Kommunismus wird offen nachgetrauert, und das habe ich persönlich bei Begegnungen mit Menschen aus dem ehemaligen Ostblock mehrfach erlebt. Er muss für die meisten Genossen so ideal (und damit beispielhaft) gewesen sein, dass der Westen sie nur enttäuschen kann: ein Aspekt, der in der Literatur bisher nur wenig angesprochen worden ist. Es wundert mich nicht, dass der Autor sich tief in die Vergangenheit seiner Familie begibt, ja sich an Ort und Stelle vom Wahrheitsgehalt überzeugen will. Doch zum Inhalt: Die Mutter des Autors, mittlerweile eine Frau im vorgerückten Alter, erfährt, dass sie adoptiert worden ist und begibt sich auf der Suche nach ihrem Vater in die Ukraine, wo sie seine noch lebenden jüdischen Angehörigen kennen lernen. Was wäre wohl aus ihr geworden, wenn sie nicht im Westen, sondern im Osten aufgewachsen wäre? Der Erzählbogen spannt sich noch weiter östlich, bis nach Israel führt die Reise.
Der Leser erfährt viel über die so anderen und aus unserer Warte um so vieles schlechteren Lebensbedingungen und über geschichtliche Fakten. Es ist eigentlich gut, dass der Schreibstil sachlich gehalten wird, denn oft ist man erschüttert von dem vielen Unglück, das geschehen ist. Dass eine passende Portion Humor beigemischt wurde, trägt zur Leselust bei. Die Schilderung der Person des Slawa erzeugt einen Sog, dem man unbedingt folgen will, auch weil die Umstände so ganz anders sind als gewohnt. Sehr interessant auch die beschriebenen Künstler und ihre Kollektive.
Eines ist sicher: Wenn man bei der letzten Seite angekommen ist, hat man über die Weltgeschichte, über historische und zeitgenössische Menschen viel erfahren und einiges dazugelernt.