Ein Wohlstandsjournalist auf der Suche nach seinen Wurzeln

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ismaela Avatar

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Der Titel des Buches ist ein bisschen irreführend, weil es nicht sosehr darum geht, Slawa und seine diversen Frauen zu portraitieren - obwohl es um die einzelnen Personen durchaus geht - sondern eher darum, dem Autor Felix Stephan (Slawas Enkel) eine Plattform für seine Weltanschauung zu bieten.

Stephans Mutter findet bereits in jungen Jahren heraus, dass ihr Vater gar nicht ihr leiblicher ist, sondern Slawa, ein Mann aus der Ukraine, der ihre Mutter schwängerte und sie nach einigem Hin und Her verließ. Erst mit guten 50 Jahren versucht nun Stephans Mutter einen Kontakt zur Familie ihres tatsächlichen Vaters herzustellen, und obwohl Slawa zu diesem Zeitpunkt schon tot ist, meldet sich ihre Halbschwester und andere ukrainische Familienmitglieder, die auch alsbald besucht werden.

Interessant war für mich die Gegensätzlichkeit, die der Autor beschreibt - auf der einen Seite das wohlhabende Deutschland, auf der anderen Seite die doch ärmliche Ukraine. Auch wenn sich der Reichtum in Deutschland, wie auch die Armut in der Ukraine auf bestimmte Personengruppen beschränken, und zumindest die Zweitfamilie des Falbusch-Zweiges nicht arm sind, merkt man, aus welcher Wohlstandswelt der Autor kommt. Um Slawa geht es allenfalls am Rand, sein Lebensweg wird auf ein paar Seiten umrissen, denn alle, die ihn persönlich gekannt haben, sind entweder tot, oder schon so alt, dass Fiktion und Rrealität zu verschwimmen beginnen. Ein zweifelhaftes Leben hatte Slawa meiner Meinung nach nicht, wenn man davon absieht, eine junge Frau zu schwängern und sich der Verantwortung mehr oder weniger zu entziehen. Und seine Frauen? Er hatte nach seiner Schwänger-Episode eine weitere Frau und sonst? Zwei Töchter, eine Enkeltochter...

Nicht dass Felix Stephan nicht schreiben könnte, als Journalist und mit einem guten Lektorat klappt das schon, nur verkommt das Buch immer mehr in eine recht bequeme Philosophierung über Stephans Dasein. Dabei ergeht er sich in Gedankengängen, die mir als Leser nahezu berauschend wohlstandsblind aufgefallen sind: die seitenlangen Ausführung, welches (grausliche) Gefühl ein "aktiver" Panzer am ukrainischen Straßenrand im Autor ausgelöst hat, die Rechtfertigung, warum sich die Mutter einen SUV zulegt (wo man doch weiß, dass diese Autos der Untergang der Welt sind!), seine Schwadronierungen zu antisemitistischen Äusserungen seiner Mutter ("... du bist gut in Mathe, kein Wunder, du bist ja auch Jüdin ..."), oder seine seelische Zerfleischung, weil er eine Cola UND ein Sandwich im Flugzeug kauft, weil die Cola allein teurer gewesen wäre als im Paket - er aber überhaupt kein Sandwich will. Die Überlegungen dazu waren nahezu grotesk. Die weiteren, weil er das Teil letztendlich einem Obdachlosen geben will ("ist es dafür nicht schon zu alt? Oder schlecht geworden??") verkommen zur Lächerlichkeit, wenn man anschließend wieder in der harten ukrainischen Wirklichkeit ankommt.

Letztendlich habe ich das Buch nicht ungern gelesen, aber wenn man mal davon absieht, dass das Thema des Buches nur kurz geschrammt wurde, macht einem Felix Stephan deutlich, auf welch hohem Niveau in Deutschland gejammert wird.