Die Geschichte faszinierend wie das erste Feuer, die Charaktere kalt wie Schnee

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antiquariat_der_träume Avatar

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Kurzmeinung:

Von dem wunderschönen Cover verzaubert und dem Klappentext neugierig gemacht, habe ich mir zunächst die Rezensionen anderer Leser angesehen. Doch auch, wenn die Grundidee wahrlich faszinierend ist, die Charaktere zahlreich wie vielseitig, der Schreibstil auf sanfte Weise bildgewaltig und mich der Einfluss der nordischen Mythologie erfreut hat (hier ist es übrigens von Vorteil schon einiges Vorwissen gesammelt zu haben), kann ich die teilweise sogar überschwänglichen Rezensionen leider ebenso wenig teilen wie den Vergleich mit Game of Thrones.

Es tut mir ehrlich leid dies schreiben zu müssen, doch leider war das Buch nicht nach meinem Geschmack und sollte es eine Fortsetzung geben – hier ist mein Wissen etwas spärlich – so werde ich sie nicht weiter verfolgen.



Langmeinung:
Als ich das Cover in seiner digitalen Form sah, war ich gleich hin und weg. Ich liebe diese verschneiten Landschaften, Seen und Wälder und sehe sie gern auf Buchcovern. Die Farben sind stimmig – auch wenn sie auf dem Buch selbst etwas zu kräftig im Bereich der Schärfe und des Kontrastes wirken – und die Schrift wirkt so verschnörkelt und angenehm. Und dann natürlich das Runenamulett mit meinem liebsten Wesen, dem Wolf. Es hat etwas geheimnisumwobenes, mystisches, ganz nach meinem Geschmack. So lockte es mich den Klappentext zu lesen und ich fühlte mich abgeholt.

Das Buch zu lesen war für mich jedoch eher wie ein müßiges Stapfen durch tiefen Schnee. Namen, Orte, Bezeichnungen und Ereignisse fielen auf mich herab wie Schneeflocken. Doch in ihrem dichten Treiben war es mir kaum möglich auch nur eine von ihnen zu fangen, um sie näher zu betrachten. Hier hätte ich mir einen Glossar gewünscht.

Das Buch hat drei Teile, den Nornen zugeordnet und das Schneegestöber zieht sich durch den gesamten ersten Teil. Die Kapitel sind kurz, immer wieder wird zwischen den verschiedenen Charakteren und mit ihnen zwischen den Handlungen und Orten, hin und her gewechselt, ohne auch nur einem von ihnen wirklich Tiefe zu schenken. Und obschon mich die nordische Mythologie ungemein fasziniert, auch wenn ich sie gerade zu Beginn der Geschichte als ausgesprochen blutig empfand, und ich kein vollkommener Anfänger bin, fiel es mir dann und wann schwer den vielen Bezeichnungen zu folgen.

Im zweiten Teil des Buches nun legte sich das Schneegestöber und nur noch vereinzelte Flocken trudelten sacht vom wolkenbedeckten Himmel. Ich vermochte sie zu greifen und näher zu betrachten und bald schon verlor ich mich in ihrer Schönheit. So ließ ich mich verzaubern von einer Schreibweise, die auf ihre ganz eigene Art lyrisch und voller Poesie eine Landschaft beschrieb, dass sie bildgewaltig vor meinem inneren Auge erschien. Auch die Seherin Snehild erhielt das ein oder andere magisch schöne Wort. Leider, und das muss ich wohl am stärksten bemängeln, war die Erzählperspektive nicht nach meinem Geschmack. Nach meinem Gefühl war es die Perspektive des oberflächlichen Betrachters, der nur wiedergibt, was er auch sieht. Auf diese Weise erhielten die Charaktere einfach keine richtige Tiefe. Natürlich verstand man irgendwann Beweggründe und Gedanken, doch eher beruhend auf den Bemühungen des Lesers, statt den Ausführungen der Autorin. Konnte man beispielsweise sehen, dass jemand wütend ist, so wurde dies kurz erwähnt, echte Emotionen/Gedanken blieben jedoch vollkommen aus. Auch Snehild erhielt keine tiefere Beschreibung. So wurden Szenen des Schmerzes und des Kummers beschrieben, aber in mir regte sich rein gar nichts. Sie waren einfach zu kurz, zu flach und zu oberflächlich gehalten. Ebenso empfand ich es als enttäuschend, dass gleich drei Charaktere, die Lieblingscharakterpotential hatten, einfach viel zu kurz kamen und obwohl zumindest einem von ihnen eine größere Wichtigkeit in Snehilds Leben zugeschrieben wurde (hier möchte ich nicht weiter spoilern), so blieb er doch nur eine schattenhafte Randgestalt und der Werdegang wurde in einem einfachen Satz abgetan, als sei es nicht weiter wichtig. Nur schnell weiter mit der Geschichte.

Besonders enttäuschte es mich in diesem Zusammenhang, dass der ein oder andere Name fiel, eine Geschichte der nordischen Mythologie gar nacherzählt wurde und, ob nun aus Gründen mangelnder Recherche oder weil es auf diese Weise die Handlung schneller voran trieb, dennoch Namen durcheinander gebracht wurden und falsche Verwendung fanden.

Auch stieß ich mich ein wenig an der Darstellung der Geschlechter. Ich lese gern von starken Frauen, die klug und charismatisch einen selbstbestimmten Weg gehen, sei er nun vollkommen emanzipiert oder mit dem Wunsch beseelt eine Familie zu gründen und dem Leben der Hausfrau nachzustreben. Doch die Frauen als große Denker und Lenker auf Kosten der Männer, die als ausgesprochen triebgesteuert dargestellt wurden, als wäre ihnen sonst keine besondere Eigenschaft zuzuschreiben, empfinde ich als zu großes Ungleichgewicht.

Ich lasse mich unglaublich gern berieseln, für mich muss es nicht immer das große Ganze geben oder einen übergeordneten Feind, den es zu bezwingen gilt und ich folge mit größter Wärme den Hauptcharakteren in ihrem Leben. Doch hier faszinierte mich zwar gerade die junge Snehild, doch da sie, für meinen Geschmack, weder Tiefe noch Entwicklung erfuhr, ist diese Faszination furchtbar ernüchternd. Und so gibt es leider doch zu viele Dinge, an welchen ich mich stoße und ich lege das Buch leise an seinen Platz in meinem Bücherregal.