Geschichte einer fatalen Freundschaft: glitzernd, mitreißend, toxisch

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webervogel Avatar

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Tara Isabella Burtons „So schöne Lügen“ erzählt von der Endzwanzigerin Louise, die nach New York gezogen ist, um Schriftstellerin zu werden, sich jetzt allerdings mit drei Jobs mehr schlecht als recht durchschlägt und nicht mal mehr Muße hat, ein Buch zu lesen – geschweige denn, eins zu schreiben. Den Glamour des Big Apple, von dem sie früher mal geträumt hat, erleben andere – zum Beispiel die 23-jährige Lavinia, reiche Erbin und stets auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen, Extravaganten – und dem nächsten ausdrucksstarken Foto, das sie auf ihren Facebook-Account hochladen kann. Durch einen Zufall lernen sich die beiden Frauen kennen und Lavinia lässt Louise an ihrem aufregenden Leben teilhaben, das diese sich alleine nie leisten könnte. Bald zeigt sich jedoch, dass Lavinias Großzügigkeit so schnell nachlassen kann, wie sie begonnen hat – z. B. wenn Louise nicht mit der gewünschten Begeisterung auf ihre Ideen reagiert. Louise studiert ihre neue Freundin sehr genau, um deren Wünsche zu erahnen und bloß nicht in Ungnade zu fallen. Und nach ein paar Monaten zahlt sich ihre intensive Charakterstudie noch ganz anders aus, als beide sich je hätten träumen lassen …

„So schöne Lügen“ ist die Geschichte einer toxischen Freundschaft, deren Entwicklung der Leser live miterlebt. Dabei mehren sich die leisen Alarmsignale und ab und zu meldet sich ein auktorialer Erzähler, der nonchalant einen verstörenden Blick in die Zukunft wirft, was sehr zur Spannung beiträgt. Aber auch so deutet sich an, dass Lavinia und Louise unaufhaltsam auf eine Katastrophe zusteuern – doch wie wird die aussehen und wird zumindest eine von beiden heil herauskommen?

Eine der großen Stärken dieses gesellschaftskritischen Romans ist definitiv Burtons Fähigkeit, Charaktere mit vielen Facetten und Widersprüchen glaubhaft auszugestalten. Dabei gewährt sie faszinierende und abstoßende Einblicke in eine Glitzerwelt, in der es ausschließlich um den schönen Schein geht. Selbstdarstellung ist alles – sich inszenieren, Fotos machen, diese online stellen. Wenn die Lügen schön genug sind, interessiert sich niemand für die Wahrheit. Im Laufe des Romans lernt Louise, dieses Spiel bis zur Perfektion zu beherrschen. Sie dabei zu begleiten, ist faszinierend und erschreckend zugleich – und wirkt leider gar nicht realitätsfern, nimmt doch social media eine immer größere Rolle ein. Mich hat „So schöne Lügen“ sehr gepackt – wer gerne von fatalen Freundschaften und menschlichen Abgründen liest, kommt hier voll auf seine Kosten.

Ich habe dieses Buch als Rezensionsexemplar erhalten.