Nicht für Jedermann - aber sehr besonders

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Louise ist weder besonders hübsch, noch besonders reich, noch in irgendeiner Art überhaupt besonders besonders. Kein Wunder also, dass sie es in New York zu nichts gebracht hat bisher. Doch dann lernt sie Lavinia kennen. Lavinia ist das Leben, pur und ohne Schranken. Lavinia reißt sie mit sich fort und zeigt ihr eine Welt, die Louise vorher verborgen war. Alles ist gut, solange man sich an Lavinias Regeln hält.

Sozial verbunden

Der Mensch ist von Natur aus ein soziales Wesen. Wir wollen jemanden haben, der uns liebt, der uns vielleicht sogar bewundert. Wir wollen dazugehören. Auch Louise will das. Ein Segen, als sie Lavinia kennenlernt, und sich ihr die Welt der Reichen und Schönen öffnet. Zuerst. Doch schon bald stellt man fest: Der Segen ist kurz, die Mühsal groß. Will man weiter dazugehören, muss man spuren. Lavinias Launen aushalten, ihr gefallen und immer schön bitte, bitte machen. Louise weiß das. Louise kann das sehr gut. Louise schafft es, sich einen Platz an Lavinias Seite zu erkämpfen.

Doch stetig kann man die Veränderung beobachten, die in Louise vorgehen. Was einst Freude barg, wird nun zum Spießrutenlauf. Das eigene Leben ist völlig außer Kontrolle geraten, wenn man weit über seinen Verhältnissen lebt, ja leben muss, um interessant genug zu sein. So sehen weder Lavinia noch ihre durchaus intelligenten Freunde, wie Louise vom stillen Mauerblümchen zum gefragten Partyanhänger mutiert. Und sich am Ende völlig verliert, und doch zu ihrem Ursprung zurückfindet. Auch wenn der besser verborgen geblieben wäre.

So schöne Lügen ist eine gelungene Beobachtung der heutigen Gesellschaft der jungen Reichen und Schönen. Ein Spiel, das nur wenige wirklich beherrschen, ohne unterzugehen. Dabei schafft es die Autorin brilliant, die Wandlung von Louises Persönlichkeit in Szene zu setzen. Anfangs kommt sie kaum zu Wort, schweigt viel, ist nur anwesend. Später blüht sie auf, wird frecher, nimmt sich Freiheiten heraus. Um dann das eigene Biest in sich zu entdecken, ohne das man in dieser Gesellschaft untergeht. Sie enthüllt einen harten Kern, der sie vor dem Untergang bewahrt.

Die ganze Zeit über fühlte ich mich an zwei großartige Figuren der Literatur erinnert: Die großen Partys des großen Gatsby in all ihrer Dekadenz, wenn auch mit modernen Geschmacklosigkeiten durchsetzt. Und dann haben wir da Holly Golightly, die Elegante, Beliebte, die tragische Person, die Lavinia in all ihrem Glamour darstellt. Die andere mit sich reißt, um das Abenteuer Leben zu genießen, die niemandem helfen kann, nicht einmal sich selbst. Und die doch von allen angebetet wird.

Der Stil des Buches ist alles andere als gewöhnlich, und vermutlich scheiden sich hier die Geister. Er ist lakonisch, er ist weder verschwurbelt noch trocken. Er ist – meiner Ansicht nach – genau so, wie eine solche Geschichte erzählt werden muss. Weder besonders nah an den Personen, noch von oben herab, er nimmt mit und wahrt doch den nötigen Abstand, um die Partys zu genießen, ohne sich selbst in ihnen zu verlieren. Nicht wie Louise. Oder Mimi. Oder all die armen Seelen, die jemals in Lavinias Dunstkreis eingetreten sind und untergingen im gesellschaftlichen Strudel.

Fazit

Für mich ein absolutes Highlight, das mir da in die Hände gefallen ist. Ein modernes Märchen der Gesellschaft, das, durchsetzt mit Prunk und Glamour, doch immer wieder auf die eigentliche Tragik des Lebens zurück kommt.