Subtile Spannung

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kindder80er Avatar

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Louise wollte aus ihrem kleinen Nest entfliehen und es in New York schaffen. Sie wollte nicht das vorgezeichnete Leben führen, das ihre Eltern für sie erdacht haben mit Mann, Haus, Hund und Kindern in der Vorstadt. Sie hätte all das schon haben können und ihre Eltern können es noch immer nicht lassen, sie mit ihrem Ex wieder verkuppeln zu wollen, aber Louise lebt lieber seit 8 Jahren in einem schäbigen Zimmer am Rande New Yorks und schlägt sich mit 3 Jobs durch. Obwohl... Wollte sie nicht eigentlich erfolgreiche Schriftstellerin werden? Resigniert hat sie diesen Traum schon fast aufgegeben, denn zum Schreiben ist sie viel zu müde. Sie steckt fest, aber zurück will sie eben auch nicht. Sie hatte schon immer den Hang, sich irgendwo einzuschleichen, wo die Bessergestellten verkehren, einfach um das Gefühl zu haben, dazuzugehören oder die Menschen zu beobachten.


Sie trifft Lavinia, weil die für ihre kleine Schwester, die sie besucht, eine Nachhilfe sucht. Louise ist SAT-Tutorin (SAT ist in den USA eine Art Eignungstest für Studienbewerber). Lavinia scheint ganz einfach durchs Leben zu kommen. Ist ja auch leichter, wenn man stinkreich ist. Mit ihr besucht sie Parties, wird eingekleidet, eingeladen und schnuppert so am Reichtum und Leben der Oberschicht. Was ihr anfangs noch etwas unangenehm ist, lässt sie nicht mehr los. Sie hat Blut geleckt und will mehr.


Der Schreibstil ist anders, etwas abgehackt und fast schon unterkühlt, was aber wahrscheinlich der Situation geschuldet ist, diese ungesunde Freundschaft zu beschreiben. Ungesund ist das Ganze wirklich, denn es geht beim ersten Treffen schon damit los, das Louise bemerkt, dass Lavinia exakt den Blondton hat, auf den Louise sich schon tausendfach versucht hat hinzufärben - und sie hat den einfach so von Natur aus. Auch die dünne Figur entgeht ihr nicht, aber sie selbst muss sich dafür immer wieder den Finger in den Hals stecken. Alles scheint Lavinia zuzufliegen, wofür Louise hart kämpfen muss. Logisch, dass daraus keine echte Freundschaft entstehen kann! Beide, Lavinia und Louise, haben augenscheinlich einen Hau weg.

Auch die permanente Selbstdarstellung im Internet nimmt krankhafte Züge an. Man hat das Gefühl, jeder kreist nur um sich selbst und nimmt den anderen gar nicht mehr wahr, sondern benutzt ihn nur für die Dekoration.

Sympathieträger gibt es in diesem Buch wirklich nicht, aber ich habe es dennoch gern gelesen, weil es eine subtile Spannung hat!