Zu viel Blingbling

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Wer mit Ende 29 nichts erreicht hat, schafft es nicht mehr, meinte Louises Mutter. Und wer es in New York nicht geschafft hat, sollte in seinen Heimatort zurückkehren, schwingt in ihrem nüchternen Urteil mit. Louise schlägt sich in New York mit mehreren unsicheren Jobs durch und träumt noch immer von einer Karriere als Autorin. Als sie die viel jüngere und unvorstellbar reiche Lavinia Williams kennenlernt, scheint das zumindest ihre finanziellen Probleme zu lösen. Lavinias jüngere Schwester wird von Louise auf eine Prüfung vorbereitet, das ist einer von Louises prekären Jobs. Dass andere Menschen für ihr Geld arbeiten und nicht jede Nacht durchfeiern, ist in Lavinias Weltbild nicht vorgesehen. Sie selbst lebt auf der Upper East Side in einem Appartement ihrer Eltern, lässt Louise bei sich wohnen und zahlt deren Rechnungen – wenn sie es gerade für sinnvoll hält. Louise erhält allerdings keinen Mietvertrag und keinen Hausschlüssel, so dass sie von nun wie Lavinias Leibeigene lebt. Bleibt Lavinia über Nacht weg, kann Louise nicht in die Wohnung. Würde Lavinia Sex mit Louise wollen, hätte sie zur Verfügung zu stehen. Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich eine zerstörerische, hochmanipulative Beziehung, in der Lavinia schier unersättlich nach Glamour und Anerkennung hungert. Sie ist zu Louises Schöpferin gewordent, deren Bild in den sozialen Medien sie kontrolliert. Louise hat ihr im Gegenzug für einen Rachefeldzug an Lavinias Ex zur Verfügung zu stehen. Während die Frauen sich mit Selfies ohne Ende aus dem Leben der Reichen und Schönen inszenieren, wachsen Louises Existenzängste. Vor Louise gab es Mimi und vor Mimi gab es Lisabetta … Eigentlich braucht Louise Lavinia nicht, sondern allein deren Kreditkarte … Die Sache wird schlimm ausgehen, das ahnt man beim Lesen, und sie geht in immer neuen Wendungen schlimmer aus, als ich mir vorstellen konnte.

Ganz im Stil einer toxischen Beziehung paktiert Tara Isabella Burton mit ihren Lesern, indem sie mit ihnen exklusiv Informationen teilt, über die Louise zu dem Zeitpunkt noch nicht verfügt. Erzählt wird im Präsens in einem naiven Tonfall, der zu keiner der Beteiligten passen will. Die Erzählerstimme scheint die Figuren für naiver zu halten als sie sind – oder der naiv klingende Ton stellt die unerhörten Vorgänge auf perfide Weise heraus. In dieser boshaften Milieustudie einer künstlich glitzernden Welt fragte ich mich am Ende, ob das Szenario so viel Goldglanz auf dem Buchcover verdient hat …