Eine Familie auf der Flucht …

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herbstrose Avatar

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Vater, Mutter, drei Kinder – eine ganz normale Familie, wie es zunächst den Anschein hat. Doch es fällt auf, dass sie in letzter Zeit mehrmals umgezogen sind. Jetzt, 1984, wohnen sie in einem Haus mitten im Wald in der Nähe von Kaiserslautern. Vater Jürgen, der schon immer von Reichtum und vom mondänen Leben träumte, verkauft derzeit gebrauchte Nobelkarossen. Mutter Jutta gibt gelegentlich Tupper-Partys und ist ansonsten ganz zufrieden mit ihrem Leben, so wie es ist. Der 13jährige Arno besucht das Gymnasium in Kaiserslautern, seine fünf Jahre jüngere Schwester Jeany die Grundschule im benachbarten Ort und der Jüngste, Fabian, ist gerade mal ein halbes Jahr alt. Doch statt des erhofften Reichtums kommen nun öfters Briefe vom Gericht und gelegentlich steht auch die Polizei vor der Tür. Dann, eines Tages war er plötzlich da, der große Geldsegen, der Reichtum. Um Mitternacht werden die Kinder geweckt, rasch das Nötigste eingepackt, und ab geht’s im geliehenen Benz Richtung Süden, an die Côte d’Azur. Jetzt kann man es sich gut gehen lassen, man hat ja schließlich „einen Arsch voll Geld“, wie Vater sich ausdrückt. Man mietet eine Villa mit Meerblick und Swimmingpool und gibt das Geld mit vollen Händen aus. Abends geht Vater ins Casino nach Nizza oder Cannes, zum ‚Arbeiten‘, wie er es nennt. Dann steht eines Tages wieder die Polizei vor der Tür – und wieder flüchtet man mitten in der Nacht, diesmal ohne Geld, denn das ist aufgebraucht …

Arno Frank, Jahrgang 1971, studierte Kunstgeschichte und Philosophie, absolvierte die Deutsche Journalistenschule in München, war elf Jahre Redakteur bei der „taz“ in Berlin, arbeitete als freier Kulturjournalist für verschiedene Magazine, lebt jetzt in Wiesbaden und ist dort Inlandskorrespondent der „taz“. Seine Kindheits- und Jugenderlebnisse hat er, leicht verfremdet. In seinem ersten Roman „So, und jetzt kommst du“ zusammen gefasst und nach dem Tod seiner Mutter veröffentlicht.

Protagonist und Erzähler seiner Erlebnisse ist Arno als dreizehn- bis fünfzehnjähriger Junge. Der Schreibstil ist sehr angenehm, ausdrucksstark und bildhaft. Zu Beginn jedoch, wenn Arno als kleines Kind über seine Erfahrungen berichtet, ist meiner Meinung nach die Sprache zu ‚erwachsen‘, bzw. nicht der kindlichen Sprach- und Denkweise angepasst. Die Geschichte liest sich ansonsten gut und flüssig und hat bei aller Tragik, zumindest in der ersten Hälfte, auch ihre komischen Momente. Doch irgendwann wird dem Leser klar, dass der Spaß und das Abenteuer zu Ende ist. Plötzlich hat man nur noch Mitleid mit den Kindern und den beiden Hunden, die auf dieser Odyssee auch mitgeschleppt werden, ärgert sich über die Mutter, die alles so teilnahmslos hinnimmt, und bekommt Hass auf den Vater, der in seiner Hilflosigkeit gewalttätig wird und mit seiner Großspurigkeit die ganze Familie ins Unglück stürzt.

Anfangs zieht sich die Handlung etwas verhalten dahin, doch mit der Flucht kommt deutlich mehr Spannung auf. Man fragt sich, wie lange das noch gut gehen kann und warum immer wieder der Zusammenhalt der Familie beschworen wird. Selbst als kein Geld für Essen und Unterkunft mehr da ist, werden Vaters Entscheidungen nicht infrage gestellt. Ist das noch Liebe, Arglosigkeit oder eher Dummheit? Man hofft, dass die Familie endlich merkt, dass er kein Held, sondern ein ganz gewöhnlicher Betrüger ist. Es macht mich betroffen, dass die Kinder dadurch keine normale Kindheit erleben konnten.

Fazit: Ein gut gelungenes Romandebüt, eine ausdrucksstark erzählte Geschichte die berührt und betroffen macht.