Waldmutter

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signalhill Avatar

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Nach dem Sumpfmädchen in "Der Gesang der Flusskrebse" kommt nun wieder ein allein gelassenes Mädchen, das "Waldmädchen" Victoria, bei der ich schon einige Parallelen zum Sumpfmädchen Kya sehe. Ob sich die Autorin Shelley Read für "So weit der Fluss uns trägt" hier ihre Inspiration gesucht hat? Auf jeden Fall haben beide Romane sehr viel Lokalkolorit, was ich besonders gern mag.

Der Reads Roman spielt in Iola, einer Kleinstadt, die dem Aufstauen des Gunnison River geopfert wird. Zusammen mit zwei weiteren Orten wird die Stadt komplett geflutet, die Bewohner müssen alle weichen. Schön wäre es gewesen, wenn Read hier im Anhang ein wenig Historisches und vielleicht in Foto angehängt hätte, aber man findet die Information natürlich auch so.

Die Geschichte ist eigentlich schnell erzählt: Victoria, die früh ihre Mutter und weitere Familienangehörige verloren hat, verliebt sich in einen Native American, eine Schande zur damaligen Zeit (nach dem 2. Weltkrieg). Die Liebe kann in Iola keinen Bestand haben, doch Victoria hält daran fest und flieht später in den Wald. Die Familie zerfällt komplett und Victoria muss im Wald eine schlimme Entscheidung treffen..

Der Roman beginnt sehr malerisch und intensiv und verliert dann an Ausdruckskraft. In der Mitte gibt es auch einige Längen, denn Victoria ist viel allein und managt ihr Leben auch fast ganz allein. Am Ende nimmt der Roman wieder Fahrt auf.

Dass die andere Frau überhaupt so handelt, wie es im gesamten Verlauf auch angenommen wird, hätte ich eher nicht gedacht. Wenn mir das passiert wäre, hätte ich es nicht gemacht. Viel mehr kann hier aber nicht verraten werden. Daher ist der weitere Verlauf der Handlung doch eher unwahrscheinlich, aber eben im Roman so passiert.

Was mich gestört hat, war zum Teil die Übersetzung. Der Originaltext ist malerisch und sprachlich sehr variabel und gut, aber ich hatte das Gefühl, dass die Übersetzerin, Wibke Kuhn, doch viel über ein Übersetzungsprogramm gemacht hat. Daher hört man quasi oft noch die Originalsprache, auch, wenn sie im Deutschen gar nicht mehr angebracht ist. Manchmal macht das Deutsche dann auch keinen Sinn oder ist auch schlichtweg falsch. Ich würde die Übersetzerin also nicht empfehlen, aber das kann ich dem Roman selbst ja nicht anlasten.

Insgesamt hat "So weit der Fluss uns trägt" von Shelley Read 4,5 Sterne verdient, aber an die "Flusskrebse" kommt er doch nicht heran.