Liebesgeschichte und Thriller in einem

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julie1602 Avatar

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Das Buchcover deutet zwar auf einen typischen Liebesroman hin, aber schon die ersten Seiten kehren die Erwartung um. Die kleine Katie muss im Alter von 8 Jahren aus nächster Nähe miterleben, wie ihr Vater ihre gesamte Familie auslöscht. Als einzige Überlebende hört sie ob des Grauens, das sie mitansehen musste, auf zu sprechen. Im Kinderheim trifft sie einige Jahre später auf den wenig älteren Jonah, der ebenfalls ein tragisches Schicksal zu erleiden hatte. Nach und nach durchbricht er sehr einfühlsam die Mauer ihres Schweigens und die beiden knüpfen im Teeniealter erste zarte Liebensbande, bis sie schließlich durch eine unglückliche Fügung für viele Jahre getrennt werden. Und das Wiedersehen verläuft ganz anders als erwartet …

Sehr gut gefallen hat mir an diesem Roman die „doppelte Zweiteilung“ – zum einen spielt die erste Hälfte Mitte der 90er und wird von Beginn an klar als Rückblick geschildert, während die zweite Hälfte im Jahr 2015 spielt und im Präsens erzählt wird. Zum anderen wechselt die Erzählperspektive zwischen Katie und Jonah hin und her – ein schönes Stilmittel, das einen Einblick in die Gefühlswelt beider Protagonisten erlaubt.

In der ersten Romanhälfte ist mir angenehm aufgefallen, dass das Kinderheim und dessen Betreuer sehr positiv dargestellt werden. Selbstverständlich haben auch negative Schilderungen von Erlebnissen in Kinderheimen absolut ihre Berechtigung, aber es ist eben nicht das Thema dieses Romans, in dem die Freundschaft und später Liebe zwischen Katie und Jonah im Vordergrund steht. Allerdings ist es der Autorin in diesem Teil meiner Meinung nach nicht gelungen, den Kindern eine authentische wörtliche Rede in den Mund zu legen. Jonah schwadroniert (als Dreizehnjähriger!) ganz selbstverständlich von „übersteuerten Schutzmechanismen“ und „schlecht getarnten Psycho-Übungen“, und selbst sein zwar als herzensgut, aber nicht unbedingt überintelligent dargestellter bester Freund Milow analysiert die Gefühlslage seiner Kameraden und bemächtigt sich dabei Formulierungen wie „voller Wut und aufgestautem Zorn“ oder "ein bisschen begriffsstutzig". Hierbei hat man einfach keine „normalen“ Kinder oder Teenies vor Augen.

Inhaltlich überrascht die zweite Romanhälfte mit einem abrupten Wandel hin zu einem veritablen Thriller. Zwar weist der Plot hier meiner Meinung nach ein paar Längen auf, aber auf den letzten 100 Seiten wollte ich das Buch vor lauter Spannung kaum noch aus der Hand legen. Das Ende wartet einmal mehr mit zwei vollkommen unerwarteten Wendungen auf, die mir gleichzeitig eine Gänsehaut verpassten und mich zu Tränen rührten. Für diese fesselnde Gefühlsachterbahn würde ich gerne die volle Punktzahl vergeben und ziehe nur aufgrund der oben geschilderten kleinen Kritikpunkt einen Punkt ab.