SOG

Der menschliche Faktor

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
laberladen Avatar

Von

Darum geht’s:

Im Rahmen eines Schülerprojektes hat jemand eine Liste von künftigen Mordopfern erstellt, sie aber nur mit einem Buchstaben oder Initialen bezeichnet. Eine Strafarbeit für den degradierten Kommissar Huldar, sich damit zu beschäftigen. Doch als diese Namensliste und der vermutliche Verfasser plötzlich Verbindungen zu aktuellen Mordopfern haben, darf er endlich wieder ernsthaft ermitteln.

So fand ich’s:

Huldar ist in der Polizei-Hierarchie weit nach unten abgesackt, doch er ist gar nicht so unglücklich darüber, den Chefposten nicht mehr zu haben. Er ist nicht erpicht auf den vielen Papierkram und darüber, dass sich der Leiter der Ermittlungen nach oben rechtfertigen und den Kopf hinhalten muss. Er versucht, die neue Chefin Erla zu unterstützen, ohne ihre Autorität zu untergraben, denn er will doch wieder mitmischen, aber nicht unbedingt an vorderster Front. Das macht ihn sehr sympathisch, auch wenn er seine menschlichen Schwächen hat, über die er sich nicht hinweg setzen kann und die ihn immer wieder in Schwierigkeiten bringen.

Auch die Psychologin Freija wurde wegen der Ereignisse in „DNA“ degradiert und muss sich mit langweiligen Jobs im Kinderhaus herumschlagen. Doch Huldars privates Interesse an ihr bringt ihr wieder eine Beteiligung am aktuellen Fall, als er speziell sie als psychologische Unterstützung anfordert. Freijas Privatleben ist mehr oder weniger nicht vorhanden, doch dafür hat ihr Bruder, der im Gefängnis sitzt, erstaunlicher Weise ein viel regeres Liebesleben als sie. Freija liebt ihren Bruder und unterstützt ihn, wo es nur geht und so bekommt dieser private Aspekt einen nicht ganz kleinen Anteil an der Erzählung, was mir gut gefallen hat.

Das Verhältnis zwischen Huldar und Freija ist nach wie vor kompliziert. Es zieht sie zueinander hin, aber leider selten genug gleichzeitig, so dass die beiden ein lustiges Hin und Her veranstalten, das von Sprachlosigkeit, Interesse aneinander und dummen Entscheidungen geprägt ist. In der Zusammenarbeit bei der Mordermittlung harmonieren sie allerdings gut.

Wie schon der erste Band ist auch „SOG“ in ruhigem Ton mit sehr genauem Blick auf die Menschen erzählt, die mit all ihren Schwächen und Macken entlarvt werden. Diese menschlichen und oft genug allzu menschlichen Aspekte präzise einzufangen und auch die negativen Eigenschaften nicht auszulassen, dabei aber nicht menschenverachtend zu werden, das beherrscht Yrsa Sigurðardóttir wirklich hervorrgend. Man ist sich immer bewusst, dass die Geschichte im kleinen Island mit seiner relativ geringen Bevölkerung spielt, bei der man sich auf den Vornamen beschränken kann und jeder jeden irgendwie zu kennen scheint.

Grausame, zum Teil skurrile Morde werden nicht zu detailverliebt geschildert, sondern man befasst sich eher mit den Folgen und Konsequenzen davon. Es wird recht schnell klar, dass viele Leute etwas zu wissen scheinen, aber konsequent den Mund halten. Man hat eine Ahnung, worum es geht, aber wer wie wo mit drinhängt, war mir bis zur Erklärung am Ende nicht klar. Es gibt viele Beteiligte, die aber gut auseinanderzuhalten sind. Die überraschenden Wendungen bis zum Schluss haben mich in Atem gehalten und sie führten auch konsequent zur schlüssigen Auflösung hin.

Dieser 2. Band der „Children’s House“-Reihe ist bis auf die privaten Verwicklungen von Huldar und Freija unabhängig vom ersten Band „DNA“ und kann auch als Einzelband gelesen werden. Da mich aber der erste Teil auch schon wunderbar spannend unterhalten hat, empfehle ich „DNA“ nicht auszulassen, sondern beide Bücher in der richtigen Reihenfolge zu lesen, denn sie sind beide absolut lesenswert.