Wann und wie wird ein Mensch zum Verbrecher?

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kleine hexe Avatar

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Ab wann genau ist der Moment? Wenn man etwas findet und es behalten will? Wenn man den Tod fremder Menschen verschweigt oder in Kauf nimmt, nur um ein riesiges Vermögen zu behalten? Wie weit ist man dann schon in den Sumpf des Verbrechens gesunken? Oder ist es der Moment, ab dem man anfängt, gegen die nächsten Angehörigen zu intrigieren, sie zu hintergehen, nur um allein über einen großen unrechtmäßigen Reichtum zu verfügen? Wer begeht das größere Verbrechen? Die Ehefrau die auf eigene Faust versucht das gemeinsame Vermögen zu mehren und dabei die Hilfe anderer Kriminellen „redlich und ehrlich“ in Anspruch nimmt? Die Ehefrau, die ihre Unternehmungen ihrem Mann nicht mitteilt, um ihn zu schonen weil er derart mit Firmengründung beschäftigt ist, dass er keine Zeit für andere Unternehmungen hat? Oder ist es der Ehemann, der auch auf eigene Faust versucht das Vermögen auf seine alleinige Seite zu schaffen und die eigene Ehefrau hintergeht und ihren möglichen Tod billig in Kauf nimmt? Nun ja, Recht hat keiner von den beiden gehandelt, aber die Sympathien liegen eindeutig bei der Frau. Schon allein deswegen, weil der Mann ein Banker und Anlagenberater ist.
Was Catherine Steadmann uns da liefert ist ein Thriller reinsten Wassers. Nach einem schockierenden Prolog ist der Leser sofort gefangen und möchte erfahren, wie es dazu überhaupt kommen konnte. Aber nein, es beginnt mit Hochzeitsvorbereitungen, Filmarbeiten für einen Dokumentarfilm, eine Hochzeit, die nicht so opulent gefeiert wird wie ursprünglich geplant, dann eine verkürzte Hochzeitsreise nach Bora Bora, ein wunderschönes Honeymoon in einem Bungalow in einer unglaublichen Luxusanlage, wie man sie sonst nur aus Internetbildern kennt. Alles scheint nur Friede, Freude Eierkuchen zu sein, wäre da nicht Marks Arbeitslosigkeit und ein riesiger Blumenstrauß, den die junge Braut erhält, dessen Absender aber weder der Ehemann noch der Trauzeuge ist. Doch dann mit dem Fund einer Ledertasche ändert sich die Stimmung schlagartig. Die Handlung nimmt Fahrt auf und wir beginnen die Achterbahnfahrt, die jeder Thriller, der etwas auf sich hält, uns bereitet.
Das ganze Geschehen erfahren wir aus der Sicht Erins, der jungen Braut. Als Ich-Erzählerin spricht sie die Leser direkt an, wirbt um Verständnis, die ihr auch gewährt wird. Aus einer jungen Filmemacherin wird sie blitzschnell sozusagen durch „learning by doing“ zur Verbrecherin mit ungeahnter krimineller Energie. Dabei vereint sie mühelos ihren Beruf als aufstrebende Filmkünstlerin, ihre Rolle als Ehefrau für Mark, indem sie immer wieder Verständnis für ihn und seine Ansprüche aufbringt. Banker sind halt so zartbesaitet und erfordern viel Mitgefühl und TLC. Und noch etwas schafft sie zusätzlich, sich um ihre Schwangerschaft zu kümmern, die sie vorläufig noch geheim hält, um Mark nicht zu überfordern. Wie gesagt, die Lesersympathien fliegen Erin und nicht Mark zu. Auch wenn Erin den zwielichtigen Gangster Eddie um Hilfe bittet. Und wie Eddie die Hilfe gewährt und was er als Gegenleistung verlangt, lässt ihn direkt sympathisch erscheinen und nicht als skrupelloser Boss der Unterwelt der auch aus dem Gefängnis heraus noch sein Imperium lenkt.
Abschließend kann ich dieses Buch Thrillerfans guten Gewissens empfehlen. Es sterben zwar nicht so viele wie in einem Quentin Tarantino Thriller, aber spannend ist er trotzdem.