Zwischen Ironie und Tiefe

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luisgehlert Avatar

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Der Roman von Carsten Henn zieht einen schon in den ersten Kapiteln durch eine leise, melancholische und zugleich humorvolle Stimmung in seinen Bann. Besonders auffällig ist, wie feinfühlig er Figuren einführt: Stella Dor, die exzentrische ehemalige Schauspielerin, die ihre Erinnerungen auf Zetteln sammelt, wirkt sofort geheimnisvoll und verletzlich zugleich. Jonas Engelbaum, der junge Ghostwriter, erscheint dagegen unbeholfen, aber suchend – man spürt, dass er nicht nur Stellas Leben aufschreiben, sondern auch sich selbst finden möchte.

Die Atmosphäre des kleinen Küstenortes ist detailreich und beinahe filmisch beschrieben. Gerüche (Lavendel, Meer, Schwarzwälder Kirsch), Geräusche (Möwenschreie, Busansagen) und Farben (das Grau des Himmels, das Lila der Blumen) machen die Schauplätze lebendig. Zugleich liegt über allem eine melancholische Grundstimmung – Verlust, Vergänglichkeit und Neubeginn sind schon in der ersten Begegnung mit Bentje und der Erinnerung an ihren verstorbenen Mann spürbar.

Mir gefällt, dass Henn Humor und Ernst miteinander verbindet. Szenen wie das »Hundebellen vom Band« oder die Roose-Schwestern, die wie lebendige Lokalzeitungen wirken, lockern die Erzählung auf und geben ihr Charme. Gleichzeitig lassen Passagen wie Bentjes Trauer oder Jonas’ zurückgewiesene Anrufe vom Vater ahnen, dass hinter der Geschichte noch tiefere Themen schlummern – Verantwortung, Abschied, vielleicht Versöhnung.

Insgesamt macht die Leseprobe Lust, weiterzulesen. Man möchte erfahren, was es mit Stellas „Bibliothek der Zettel“ auf sich hat, ob Jonas sein Projekt gelingt und welche Geheimnisse sich in der „Krabbe“ verbergen. Der Stil ist angenehm lesbar, manchmal poetisch, manchmal ironisch, und schafft eine dichte, beinahe intime Atmosphäre.