Ein Roman über Erinnerungen

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Der 19jährige Jonas reist ans Meer, um die Autobiografie der exzentrischen Filmdiva Stella Dor zu verfassen. Dabei flüchtet er aus seinem eigenen Leben und findet Menschen, die auf ihre ganz individuelle Weise in ihren Erinnerungen leben.
In Sonnenaufgang Nr. 5 erzählt Carsten Henn von vielen verschiedenen Charakteren, die sich unterschiedlich mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen. Allen voran Stella, die sich eine eigene Welt aus Glamour und Ruhm erschaffen hat, um die belastenden Dinge zu übertünchen. Doch was ist Fiktion und was Realität? Interessant zu lesen, wo die Schauspielerin endet und der Mensch Stella hervorkommt. Auch Jonas hat sein Päckchen an Erinnerungen zu tragen, was vor allem mit seiner früh verstorbenen Mutter zu tun hat. Die zarten Bande, die er mit Nessa knüpft, sind belastete von der eigenen Verunsicherung und dem Erlebten der jungen Frau.
Es sind zahlreiche Charaktere, die Henn hier in seinem Roman darstellt, bei denen sich Menschen mit ihren Erinnerungen auseinander setzen: Da ist Paul, der zunehmend dement wird und sich den Namen seines Hundes nicht mehr merken kann; Geraldo, der früher mal Lehrer war und jetzt nur noch Sonnenuntergänge malt; Bentje, die an der Bushaltestelle sitzt um die Stimme ihres verstorbenen Mannes als Bandansage zu hören.
Dieses Buch könnte traurig und schon fast ein bisschen schwermütig machen bei den Themen, die Henn hier alle anspricht: Trauer, Verlust, Einsamkeit, Verlust der eigenen Identität und Verdrängung von Ereignissen. Doch mit seinem philosophischen Ansatz und seinen humorigen Darstellungen kommt dieser Roman federleicht daher, auch wenn für meinen Geschmack der Autor manchmal ein bisschen zu weit über das Ziel hinaus schießt. "Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter" ist doch sehr abgedroschen, allerdings gibt es ein sehr schönes Zitat, das in meinen Augen den vorherrschenden Ton in diesem Roman wiedergibt: "Der Kopf weiß das, aber das Herz ist dumm. Es ist kurzsichtig, launisch und unzuverlässig. Und trotzdem ist es der Chef im Laden." (S.140)
Wer Bücher mit philosophischer Betrachtungsweise mag ist hier genau richtig, es ist leichte Unterhaltung und trotz des ernsten Themas ein Wohlfühlen-Roman.