Ghostwriter und Diva

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Groß war meine Freude, als meine Bibliothek das Buch Sonnenaufgang Nr. 5 angeschafft hat, denn bei Vorablesen gewonnen habe ich es leider nicht. Zwar ist es nicht der erste Roman, den ich von Carsten Henn gelesen habe, aber der Titel ist schon etwas ganz Besonderes. So wie das ganze Buch. Und ich habe es sehr genossen.
Erinnerungen sind etwas zutiefst Persönliches. Nicht selten gehen wir anderen damit gehörig auf den Wecker, denn Erinnerungen wollen wieder und wieder aus der Mottenkiste geholt werden, besonders die aus glücklichen Zeiten. Doch es gibt nicht nur angenehme, sondern häufig auch sehr schmerzhafte. Und gerade die verbinden uns nicht selten mit anderen Menschen. So ähnlich geht es auch dem Protagonisten Jonas, der lieber mit fremdem Erinnern umgeht als mit seinem eigenen, und auch die Gegenwart ist für ihn nicht gerade einfach. Er soll der exzentrischen Schauspielerin Stella beim Verfassen ihrer Memoiren helfen. Außerdem ist da noch ein Brief seiner Mutter an ihn, verfasst kurz vor ihrem Tod.
In diesem Roman gibt es viele Rückblenden, was bei einem Hörbuch ein wenig verwirrend sein kann. Denn beim Lesen wird viel eher deutlich, wenn Schilderungen nicht linear verlaufen.
Ich finde es charmant, wie die Schauspielerin in die Geschichte eingeführt wird, und auch das erste Aufeinandertreffen ließ mich schmunzeln. In der Folge tasten die beiden Menschen, der Fragende und die Gefragte, sich vorsichtig zu ihrem Gegenüber vor. Auch die meisten Nebenfiguren haben viel mit dem Erinnern zu tun. Doch philosophisch ist der Text von Beginn an.
Ich habe den Roman als Hörspiel genossen, einfühlsam und farbig erzählt von Oliver Siebeck.
Henn versteht es wie kein Zweiter, die Umwelt aus den Buchstaben erstehen zu lassen, sodass man glaubt, leise Möwenschreie zu hören und salzige Seeluft zu schnuppern. Mir gefällt, wie diverse Kleinigkeiten sichtbar werden, wie beim Lesen Atmosphäre entsteht und sich die Figuren verdeutlichen. Dabei ist es keineswegs irgendeine flache Handlung, sondern sie macht besinnlich und ist berührend. Gern empfehle ich den Roman weiter.