Vom Erinnern und Verdrängen

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buecherfan.wit Avatar

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Der 19jährige Jonas Engelbaum hat sein Germanistikstudium abgebrochen und möchte als Ghostwriter die Lebensgeschichte anderer Leute aufschreiben, obwohl sein Vater in seinem Restaurant dringend die Hilfe des Sohnes gebrauchen könnte. Die ehemalige Diva Stella Dor sieht seine Anzeige und engagiert ihn. Sie lebt in einem herunterbekommenen Strandpavillion. Jonas mietet ein Zimmer bei den Schwestern Britta und Imke Roose, die große Bewunderer der Diva sind. In Stellas Haus gibt es eine Unmenge von Biografien und Hunderte von Notizzetteln, auf denen sie Ereignisse aus ihrem Leben notiert hat. Die Zusammenarbeit von Stella und Jonas gestaltet sich anfangs schwierig, weil Stella nur das mitteilt, was sie preisgeben will und keine Rückfragen zulässt. Schon bald merkt Jonas, dass sie ihm eine geschönte Version ihres Lebens mitteilt. Als er später mit Menschen aus ihrem Umfeld spricht, z.B. mit ihrem Mann Philip oder einer ehemaligen Kollegin, zeigt sich, dass sie ihm über viele Dinge in ihrem Leben die Unwahrheit sagt. Diese Erkenntnis führt dazu, dass Jonas zwei Biografien schreibt, die Version der Diva von einem durchweg glücklichen erfolgreichen Leben und die andere, die er auf der Basis seiner Recherchen verfasst, in der es auch um Tod und Trauer und andere sehr schlimme Erfahrungen geht.
Neben Stella Dors Lebensgeschichte spielen noch andere Begegnungen vor Ort eine Rolle, z.B. mit der jungen Nessa, mit Stellas Verehrer Paul und seinem treuen Hund Guter Junge, mit dem Maler Geraldo und der Witwe Bentje von der Bushaltestelle, der Jonas freundschaftlich begegnet. Im Lauf der Geschichte zeigt sich, dass es im Leben eines jeden – auch in dem von Jonas – schmerzliche Erfahrungen von Verlust und Trauer gibt, die verdrängt werden, weil sich die Menschen ihnen nicht stellen wollen. Hinzukommt, dass Erinnerungen unzuverlässig sind, weil man sich jeweils an die vorige Erinnerung erinnert und nicht an das eigentliche Ereignis. Nur wenn man sich der Vergangenheit stellt, kann man ein sinnvolles und sogar glückliches Leben führen.
Mir hat diese warmherzige, mit viel Empathie erzählte Geschichte gut gefallen. Am Ende könnte man sich fragen, wie man selbst sein Leben erzählen würde.