Balance-Akte

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linus63 Avatar

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Vier ehemalige Studentinnen treffen sich nach 10 Jahren bei einem College-Treffen wieder. Die Frauen, die ich einige Wochen auf ihrem Lebensweg begleite, haben sich in ihrem schnelllebigen New Yorker Dasein arrangiert, sind aber momentan nicht wirklich glücklich. Sie beschließen, bei Charlie, die vor kurzem ein eigenes Yoga-Studio eröffnet hat, Vinyasa Yoga zu lernen. Dies ist eine Form des Yoga, in der Körperhaltungen und Atmung in Einklang gebracht werden, um geistiges und körperliches Gleichgewicht zu erlangen.

Bald spüren sie die Auswirkungen des Unterrichts in ihrem Alltag. Wer jetzt allerdings schlagartig die Ankündigungen des meiner Meinung nach unpassenden Klappentextes erwartet, wird enttäuscht. Die Veränderungen passieren allmählich und subtil und sind so durchaus realistisch und den verschiedenen Charakteren entsprechend. Ob es nun die innere Ruhe und der Zustand nach einer Yogastunde ist, eine neue Offenheit, andere Sichtweisen, eine veränderte Selbstwahrnehmung oder die Akzeptanz und Annahme einer schlimmen Diagnose, letztendlich läuft alles auf eine leichtere Bewältigung anfallender Probleme, persönliche Entwicklung und die Übernahme von Selbstverantwortung hinaus. Die Freundschaft, die sich zwischen den vieren entwickelt, unterstützt den Prozess.

Zoe Fishman kommt in ihrem Roman mit wenigen Figuren aus, was ich persönlich sehr angenehm finde. Sie sind in ihren Charakteren sehr unterschiedlich, sympathisch, anschaulich und trotzdem mit ein paar negativen Zügen sehr menschlich gezeichnet. Die Geschichte selbst ist gut strukturiert und ist analog zu einem Atemzyklus im Yoga in vier Abschnitte unterteilt. Sie ist leicht und flüssig zu lesen, wird ruhig und mit wenig Dramatik, aber viel Einfühlungsvermögen erzählt und hat mich in ihrer Subtilität gefangen. Aus Erfahrung weiß ich, dass Yoga nicht mit dem Verlassen der Matte endet, sondern im Alltag gelebt wird, was die Autorin in ihrem Roman ansprechend zum Ausdruck bringt. Sehr schön wird die Entwicklung der vier durch das äußere Frühlingserwachen ergänzt.

Das Cover zeigt eine Frau, die versucht, ihr Gleichgewicht zu finden bzw. zu halten und passt hervorragend zu dieser Geschichte. Die hellen und warmen Farben wecken bei mir den Eindruck von Leichtigkeit, die mit und durch Yoga ebenfalls angestrebt wird. Jedoch finde ich den englischen Originaltitel "Balancing Acts" wesentlich treffender und den Klappentext unpassend. Er vermittelt mir nicht nur einen völlig falschen ersten Eindruck der Handlung, sondern beschreibt darüber hinaus die falsche Jahreszeit.

Zoe Fishman hat in ihrem Roman an alltäglichen Frauen ein schönes Beispiel gezeigt, wie jeder etwas für sich selbst - und damit natürlich auch für sein Umfeld - tun kann, um sein Gleichgewicht zu finden - eine Eigenschaft, die in unserer heutigen, hektischen Zeit eine große und wichtige Rolle spielt. Ich habe ihn gerne gelesen und kann ihn wirklich empfehlen.