Leise Zwischentöne einer komplizierten Liebe

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xthelittlerose Avatar

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Ich muss zugeben, dass es mir nicht leichtfällt, eine Rezension zu „Spät am Tag“ zu schreiben. Der Klappentext ließ mich eine ruhige Geschichte über ein neues Zuhause, eine neue Liebe und eine entstehende Familie erwarten – und irgendwie war das auch der Fall, aber eben nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Wir begleiten Johanne und Mikael dabei, wie sie von Mitbewohnern zu Freunden und schließlich zu einem Paar werden. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass dieser Prozess recht blass blieb. Wir erfahren kaum, wie sich die beiden tatsächlich näherkommen oder verlieben. Irgendwann schlafen sie einfach miteinander, ohne dass davor wirklich emotionale Tiefe aufgebaut wurde. Besonders in den ersten beiden Jahren ihrer Beziehung bleibt Johanne unsicher, ob sie überhaupt ein Paar sind, ob Mikael sie liebt oder ob sie einfach nur in eine bestehende Lücke in seinem Leben gerutscht ist.

Auch Mikaels Ex-Frau spielt eine große Rolle – sowohl in der Handlung als auch in der Beziehung zwischen Johanne und Mikael. Sie geht im gemeinsamen Haus ein und aus, und niemand zieht klare Grenzen. Dieses ständige Dazwischensein empfand ich als sehr unruhig, und erst kurz vor dem Ende spricht Johanne ihre Sorgen überhaupt an. Mikaels Reaktion darauf blieb für mich unbefriedigend und wenig emotional, was die ohnehin fragile Dynamik zwischen den beiden weiter unterstrich. Ihre Beziehung wirkte auf mich eher wie eine Zweckgemeinschaft, die aus Nähe und Bequemlichkeit entstanden ist, nicht aus echter Zuneigung.

Auch die Verbindung zwischen Johanne und Maren, Mikaels Tochter, konnte sich nicht richtig entfalten. Durch die ständige Präsenz der Mutter wurde deutlich, dass Johanne nur einen begrenzten Platz im Leben des Kindes einnimmt – mehr als eine helfende Bezugsperson, aber nie wirklich Teil der Familie. Das fand ich schade, da ich mir hier eine tiefere Entwicklung gewünscht hätte.

Etwas ratlos ließ mich auch die Struktur des Buches zurück: Es ist in drei Teile mit jeweils vier Tagen unterteilt, doch mir erschloss sich nicht, warum. Innerhalb dieser Tage vergehen Monate oder sogar Jahre, was das Lesen teils verwirrend machte. Auch die häufigen Zeitsprünge innerhalb einzelner Abschnitte haben mich oft aus dem Lesefluss gerissen. Ich brauchte immer wieder einige Zeilen, um mich zu orientieren, ob wir uns gerade in der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft befinden.

Am Ende habe ich mich für drei Sterne entschieden. Es gibt einige Punkte, die für mich persönlich nicht funktioniert haben, dennoch fühlt sich eine niedrigere Bewertung nicht ganz fair an. Vielleicht gehört „Spät am Tag“ zu den Büchern, die man eher zwischen den Zeilen lesen muss – und mir ist das in diesem Fall einfach nicht vollständig gelungen.