Der menschliche Affe

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goldwoman Avatar

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Das ist bzw. war mein erstes Buch von T.C. Boyle. Der Autor war mir bekannt, doch leider habe ich bislang keines seiner Bücher gelesen. Also habe ich dieses mit großer Spannung erwartet.

In dieser etwas anderen Geschichte geht es um Grenzen, welche nicht klar zu definieren sind, und um Moral und um das Richtig und Falsch – und um Vertrauen und Liebe aus einer komplett anderen Perspektive.
Ursprung von allem ist Kommunikation, wie der Titel „Sprich mit mir“ schon erahnen lässt. Die Hauptfigur des Buches ist Sam. Dieser kann zwar nicht sprechen, macht sich aber in Zeichensprache verständlich. An und für sich mag das noch nicht so ungewöhnlich sein, aber Sam ist ein Schimpansenkind. Ein Affe, der im Rahmen eines Spracherwerb-Forschungsprojekts von Professor Guy Schermerhorn menschlich erzogen werden soll. Und so wächst Sam in einem kalifornischen Ranchhaus auf, lernt sich mit Menschen zu verständigen, isst Cheeseburger und schläft in einem Bett. Sogar ins Fernsehen schafft er es, als Guy mit ihm in einer Rateshow auftritt. Dadurch erfährt die Studentin Aimee von dem Forschungsprojekt und wird kurz darauf von Guy als Hilfskraft eingestellt. Sie und Sam haben sofort eine Verbindung zueinander und schon bald ist die Beziehung zu ihrem Schützling die wichtigste in Aimees Leben. Für Guys Mentor, Dr. Moncrief ist der Schimpanse jedoch nur eines von vielen teuren Versuchstieren und sein Eigentum. Und als er beschließt, die Forschung einzustellen und Sam in seinen Schimpansenstall nach Iowa zu holen, stellt das nicht nur dessen Leben auf den Kopf, sondern das aller Beteiligten.

Kapitelweise wechseln sich die Perspektiven in diesem Buch ab, was es so besonders macht. Eine menschliche (meist Aimees) und Sams tierische. Die Kapitel aus Sams Sicht sind wesentlich kürzer und handeln von seinen Empfindungen und Bedürfnissen. Die Gedanken des menschlich aufgezogenen Affens erscheinen teils einfach, spiegeln aber den tierischen Gedanken wider. Ob Mensch oder Schimpanse: T. C. Boyle hat abwechslungsreiche Charaktere erschaffen, die aus sehr unterschiedlichen Motivationen handeln und dabei durch und durch authentisch wirken. Manche Episoden greift „Sprich mit mir“ zwei- oder sogar dreimal auf; aus Sams sowie aus Aimees und/oder Guys Perspektive. Dies kann teilweise etwas langatmig sein, unterstützt aber die einzelnen Gedankengänge und Perspektiven sowie das Kernthema dieses Buches. Oft fragt man sich, ob die Handlungen noch im Rahmen sind. Ist es "nur" ein Affe oder ein Wesen mit Rechten und Gefühlen. Schnell ist man in diesem Gedankensog drinnen, was Forschung kann und darf. Ein vielschichtiges Buch, welches einen noch lange danach zum Nachdenken anregt.