Kommunikation zwischen Mensch und Tier

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amara5 Avatar

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T.C. Boyle ist einer der erfolgreichsten Autoren und genießt in der Literaturszene Kultstatus. Seine Affinität zu skurrilen, unkonventionellen Figuren, aber auch sein Ausloten des Verhältnisses zwischen Natur und Mensch sind seine Erkennungszeichen. Auch für seinen neuen Roman hat er intensiv recherchiert und versucht, anhand einer filmreifen, rasanten und berührenden Geschichte die Unterschiede zwischen menschlichem und tierischem Bewusstsein auszuloten und welche Behandlung wir Menschen den Tieren anmaßen.

In den 1970er-Jahren sieht Frühpädagogik-Studentin Aimee beim Zappen eine TV-Show, die alles in ihrem Leben ändern wird: Biologe und Wissenschaftler Guy Schermerhorn hat den cleveren Baby-Schimpansen Sam dabei, der Gebärdensprache lernen kann. Aimee bewirbt sich als Assistentin, sie will mit Sam arbeiten und wird seine Sitterin. Sofort sind die beiden einander verfallen. Im Dreiergespann wird das Experiment im chaotischen Haus des Wissenschaftlers vorangebracht, Sam steckt derzeit noch in pubertären, kindlichen Zügen und stellt allerhand Schabernack an – Aimee verliebt sich auch in Guy.

„Sam saß friedlich neben Aimee auf dem Sofa und blätterte in der neusten Ausgabe von Life. Sie benannte die Objekte auf den Fotos - Auto, Baby, Flugzeug, Hund - und Sam machte die entsprechenden Gebärden, fast als wollte er sie ihr beibringen.“

Es könnte so harmonisch sein, doch das Experiment wird wegen gestrichenen Fördermitteln abgebrochen und Sam wird von Dr. Moncrief, einem einstigen Unterstützer, an eine Universität für Tierversuche verhökert. Guy und Aimee stehen vor dem Nichts, doch Aimees Liebe zu dem Affen ist bedingungslos und hat Sam zur Ausreifung eines intelligent-individuellen Wesens angespornt – sie wird ihn befreien, mit ihm durchbrennen und gemeinsam leben sie in einem Trailerpark.

T.C. Boyle knüpft in seinem Roman an reelle Sprachforschungen an Menschenaffen in den 1970er-Jahren an und wählt eine gelungene sowie raffinierte multiperspektivische Erzählform für seine fiktive, emotionale und unterhaltsame Geschichte: Alle drei Protagonisten kommen zu Wort, auch Sams Perspektive wird berührend geschildert und Boyle unterlegt alles mit wunderschönen poetischen Bildern und viel skurrilem Humor. Im spannenden und ergreifenden letzten Teil des Romans kann man das Buch nicht zur Seite legen, bis das Ende erzählt ist – ein äußerst gelungener Spannungsaufbau rundet die emotionale Mensch-Tier-Geschichte ab, ohne in den Kitsch zu rutschen. Und Boyle zeigt uns im Spiegel das Animalische im Menschen, und das vermeintlich Menschliche im Tier – und die große Diskrepanz im artgerechten Miteinander.