Zwischen "Unser Charley" und "Planet der Affen"

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Beim Besuch des Menschenaffen-Hauses im Zoo bleibt der Gedanke nicht aus: Wie ähnlich ist uns die natürliche Verwandtschaft? Schon immer hat diese Faszination sowohl in der Forschung über den Menschen und sein Wesen als auch in zahlreichen Geschichten aus Literatur, Film und Fernsehen ihren Niederschlag gefunden. In T. C. Boyles Roman „Sprich mit mir“ vermischen sich diese beiden Gebiete, um am Ende aber doch nur eine neue Variante der bekannten Motivkette abzuliefern: Mensch freundet sich mit Tier an – Mensch rettet Tier vor skrupellosen Geschäftemachern – Mensch und Tier flüchten und bekommen weitere Probleme. Sam, so heißt das Tier, Aimee so heißt der Mensch.
Den Schimpansen lernt die wissenschaftliche Hilfskraft Ende der 1970er auf einer Ranch kennen, die von einer amerikanischen Universität dem Team um Professor Guy Schermerhorn für das Leben mit seinem tierischen Forschungsobjekt zur Verfügung gestellt wurde. Sam erlernt Gebärdensprache, trägt meist Windeln, mag Lieferpizza sowie Rotwein und zeigt nur ganz selten mal seine wilde Seite, wenn er ein Teammitglied eine Narbe in die Wange beißt. Ansonsten hält er sich wohl selbst eher für einen Menschen. Skurrile Alltagssituationen mischen sich mit etwas Dramatik und einer Lovestory (natürlich zwischen Guy und Aimee) im ersten Teil des Romans.
Mit Beginn des zweiten stellt sich heraus, dass die Primatenforschung an Glaubwürdigkeit und Bedeutung wohl immer mehr verliert und das Projekt beendet werden soll. Sam kommt zurück an seinen Besitzer – Auftritt des skrupellosen Geschäftsmanns. Es beginnt ein Spannungsbogen, der durchaus bis zum Ende des Romans trägt. Kurze Kapitel, die die Handlung aus Perspektive des Schimpansen immer ein wenig vorwegnehmen, tragen dazu, ohne dass aber zu sehr der Diskurs: Welches Bewusstsein kann ein Menschenaffe haben, ausdiskutiert wird. Man nimmt die Vermenschlichung gerne als Element der Geschichte in Kauf – so wie man es bei Fabeln, Märchen und Disney-Geschichten auch ganz selbstverständlich tut. Obwohl: Vermenschlichung? Wenn man ganz ehrlich ist (Pizzalieferdienst, Besuche bei McDonalds oder in Quizsendungen, Cola als Mixgetränk für Betäubungsmittel und das Finale auf einem Trailerpark) – T. C. Boyles Forschungsprojekt gilt wohl doch eher der Frage, wie amerikanisch und nicht wie menschlich kann der Affe Sam (Uncle Sam!?) werden?