Kompliziert

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ellyon Avatar

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Das Design des Buches gefällt mir sehr gut. Durch den mit zwei Fenstern versehenen Umschlag, hebt es sich stilistisch von anderen Büchern ab. Das Bild des Mannes mit dem Krokodil erhält zudem eine tiefere Bedeutung, sobald man zu der Stelle kommt, an der das außergewöhnliche Foto Erwähnung findet.

Es zeigt den Vater des Autors, der im Buch eine entscheidende Rolle spielt. Als 'Mischling' wurde er unter dem Nazi Regime verfolgt. Ein Trauma, welches ihn bis zum Rest seines Lebens verfolgte. Sein Sohn versucht in 'Spur und Abweg' das Leben seines Vaters zu ergründen und nutzt zurückgelassene Briefe und Notizen, um seinen Vater, sowie weitere Mitglieder seiner Familie, besser zu verstehen. Besonders die wegen der Zensur notgedrungen positiv formulierten Briefe des Vaters aus dem KZ haben mich hierbei sehr berührt. Insgesamt wurde nachvollziehbar dargestellt, wie sich die Verfolgung auf die Gedankenwelt und Motivationen des Vater auswirkten. Weniger nachvollziehbar fand ich die Gedanken des Autors selbst, der einen Großteil des Buches für die Beschreibung seines Umgangs mit der Geschichte seiner Familie nutzt. Natürlich ist hinlänglich bekannt, dass sich ein Trauma auch auf nachfolgende Generationen auswirken kann und ich finde es verständlich, mehr über seine Familie erfahren zu wollen. Auch, dass man um Familie trauern kann, die man nie getroffen hat, ist fassbar. Viele Abwege auf die uns der Autor mit nimmt sind es allerdings nicht, wofür ich unter anderem den Schreibstil verantwortlich mache.

Der Autor hat sich sowieso kein leichtes Thema ausgesucht. Gerade deshalb hätte ich einen weniger pompösen Schreibstil vorgezogen. Das Buch ist durchzogen von langen, verschachtelten Sätzen die oft zu viele Adjektive beinhalten. Einige Kommas hätten lieber Punkte sein sollen. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Sätze absichtlich schwer verständlich formuliert wurden, um Sachverhalte komplizierter, oder tiefsinniger klingen zu lassen, als sie sind. Dabei sind die Selbstreflexionen und Gedanken durchaus tiefsinnig. Der Autor wirft spannende Fragen auf und macht deutlich, wie schwer es vielen Menschen fällt, mit dem Grauen, dass ihrer Familie passiert ist umzugehen. Der komplexe Inhalt hätte es nicht gebraucht mit einem pompösen Schreibstil weiter aufgeblasen zu werden. Wenn man einen Satz zweimal lesen muss um ihn zu verstehen, ist man nicht motiviert ihn ein drittes Mal zu lesen, um auch den Sinn dahinter zu begreifen.
Ich fand zudem, dass der Titel des Buches zu oft erwähnt wurde. Bei den ersten Malen dachte man sich noch: Oh, cool. Irgendwann fühlte sich dieses stilistische Mittel jedoch etwas verbraucht an.

Man bekam eine Menge Fakten, Zahlen und Einblicke über die Nazizeit, sowie die Wunden jüdischer Nachfahren. Schlussendlich weiß ich jedoch nicht wie viel aus diesem Buch hängen bleiben wird. Sicherlich vieles von dem, was man Juden, oder Leuten die man als Juden ansah, angetan hat. Bestimmt auch ein kleines bisschen mehr Verständnis und Empathie für die Nachfahren der Opfer, über die nicht so oft geredet wird, wie über die Opfer selbst. Allerdings auch das Gefühl, dass viel schlau geschwafelt wurde, ohne sich wirklich verständlich zu machen.