Spur und Abweg

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lesemäuschen2469 Avatar

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"Spur und Abweg" von Kurt Tallert ist eine fesselnde und emotionale Reise in die Vergangenheit des Autors und seiner Familie. Das besondere daran ist die Perspektive, denn der Protagonist Kurt Tallert ist erst 37 Jahre alt, während sein Vater als junger Mann noch von den Nazis aufgrund seiner jüdischen Herkunft verfolgt wurde.

Das Buch basiert auf Erinnerungen, Notizen, Briefen und Fotos, die Kurt Tallert nach dem Tod seines Vaters gefunden hat. Diese Spuren eines beschädigten Lebens führen ihn in seine Heimatstadt Bad Honnef, durch zahllose Regionalzüge quer durch die Republik und schließlich zu seiner jüdischen Urgroßmutter Berta. Dabei stellt er sich immer wieder die Frage, was das alles mit ihm persönlich zu tun hat.

Die Geschichte ist nicht nur ein beeindruckendes Zeugnis der Verfolgung während des Zweiten Weltkriegs, sondern vor allem eine bewegende Liebeserklärung an den traumatisierten Vater. Tallerts Schreibstil ist dabei von einer unheimlichen Sprachgewalt geprägt, die den Leser tief in die Gefühls- und Gedankenwelt des Autors eintauchen lässt. Seine Brutalität und Radikalität in der Darstellung der intimen Beziehungen innerhalb der Familie lässt einen nicht kalt.

Die Darstellung der deutschen Geschichte aus der Sicht einer Generation, die nicht davon betroffen war, ist ein bemerkenswerter Ansatz. Tallert zeigt auf eindringliche Weise, dass das Erinnern oder Vergessen von traumatischen Ereignissen nicht für jeden eine Entscheidung ist, sondern dass es tief in der DNA einer Familie verankert ist. Die Autorin schafft es, die Familiengeschichte in einen größeren historischen Kontext einzubetten und die Bedeutung von persönlicher Identität und Erinnerung zu reflektieren.

"Spur und Abweg" ist ein literarisches Werk, das einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Es regt zum Nachdenken über die Verantwortung des Individuums gegenüber der eigenen Geschichte und den Generationen davor an. Die aufrichtige und authentische Darstellung lässt den Leser mitfühlen und vermittelt die Botschaft, dass Erinnerungen und Schicksale nicht vergessen werden dürfen, sondern Quellen des Lernens und der Weiterentwicklung sind. Eine absolute Empfehlung für alle, die an ergreifenden Familiengeschichten und der deutschen Geschichte interessiert sind.