Autofiktionale Selbstfindung mit ein paar Schwächen
Im Oktober 1957 brachte die Sowjetunion den ersten künstlichen Satelliten in die Erdumlaufbahn. Und in Berlin wird, ebenfalls im Oktober, ein Kind geboren, das fortan denselben Namen wie der Satellit trägt: Sputnik. So heißt auch Christian Berkels neuer autofiktionaler Roman. Leider kann das Buch für mich mit „Der Apfelbaum“ und „Ada“ nicht mithalten.
Aber von vorn.
„Die ersten Worte meiner Mutter hörte ich lange vor meiner Geburt. Ihre Hoffnungen, Ängste, Erwartungen, ihre Enttäuschungen, ihre Sorgen waren der Raum, in dem ich begann, mich schwerelos zu orientieren.“ Die fiktiven Gedankengänge des ungeborenen Kindes beschreibt Christian Berkel sehr anschaulich. Nach der Geburt wurde er beinahe vertauscht, nur seinem Vater ist es zu verdanken, dass das nicht passiert ist. Vielleicht führte das dazu, dass er so intensiv nach seiner Identität suchte. Als Halbjude fühlte er sich lange als nichts Ganzes und nichts Halbes, vor allem nicht als Deutscher. Die Erziehung, die ihm seine Eltern angedeihen lassen, ist liebevoll und künstlerisch geprägt. Deren Traumata sind allerdings deutlich spürbar, Mutter Sala, die während des 2. Weltkriegs unter anderem im Lager Gurs eingesperrt war, wirkt oft abweisend. Vater Otto, der viele Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft war, neigt zum Jähzorn. Da seine Mutter ihm schon früh die französische Sprache nähergebracht hat, geht er nach der fünften Klasse auf ein französisches Gymnasium, mit 14 erst als Gastschüler für ein Trimester und dann für längere Zeit nach Paris. Da war ihm schon klar, dass er Schauspieler werden möchte. In Frankreich hat er trotz hervorragender Sprachkenntnisse keine Chance und kehrt nach Deutschland zurück. Auf eine Sturm-und-Drang-Zeit mit Selbstfindung folgt eine Zeit der Selbstwerdung, über Drogen und Frauen führt ihn der Lebensweg zum Ziel und er wird ein erfolgreicher Schauspieler.
Wie viel von Christian Berkel in Sputnik steckt, kann ich nicht beurteilen. Klar ist, dass es zwischen den beiden viele Parallelen gibt. Der Charakter des Sputnik ist zwar interessant, sein Werdegang und seine Suche nach der Identität spannend, aber ich kann ihm persönlich nichts abgewinnen. Sowohl die ausschweifenden Beschreibungen seiner immer feuchter werdenden Träume bis hin zur obsessiven M***urba**on als auch seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Drogen haben mich wenig begeistert. Ehrlich und schonungslos offen mögen die Berichte wohl sein, aber wer will denn wirklich wissen, wer wann wo „Hand angelegt hat“?
Sprachlich fand ich das Buch so gut wie die Vorgänger, die Sprache ist klar, bildhaft und zum Teil fast poetisch. Die konzeptionelle Idee und die Ansätze finde ich gut, die Einteilung in drei Kapitel ist gelungen, der Autor schreibt menschlich, nahbar und bodenständig. Der Schluss wirkt auf mich aber verkrampft, nach einer Aneinanderreihung seiner beruflichen Stationen scheint Christian Berkel unbedingt etwas zu suchen, was zum Anfang passt und alles abrundet. Leider bleibt für mich das Buch in Umsetzung und Ausarbeitung weit hinter „Der Apfelbaum“ und „Ada“ zurück.
Berkel schlägt Brücken zu den beiden anderen Teilen der Trilogie, neben seiner Schwester Ada (sie ist meist abwesend, erst im Internat, dann verlässt sie die Familie) treten weitere „alte Bekannte“ aus den anderen Büchern auf. So trifft sich „der Kreis“ aus Bekannten, Freunden und Kollegen (darunter auch der jüdische Bekannte Walter, der in „Der Apfelbaum“ eine wichtige Rolle spielte) zum Ansehen der Fernsehserie „Holocaust“. Der Umgang der Zeitzeugen mit dem Thema und der Fernsehserie ist interessant. Berkel beschreibt die intensive, fast hitzige Diskussion wie ein Theaterstück, wobei sehr kontroverse Ansichten ans Tageslicht kommen. Dennoch konnte mich von dem Buch nur das erste Drittel begeistern. Ich empfehle es allen Fans von Christian Berkel und allen, die die anderen Teile der Trilogie auch gelesen haben und gern Serien zu Ende bringen. Von mir gibt es dreieinhalb Sterne, aufgerundet auf vier.
Aber von vorn.
„Die ersten Worte meiner Mutter hörte ich lange vor meiner Geburt. Ihre Hoffnungen, Ängste, Erwartungen, ihre Enttäuschungen, ihre Sorgen waren der Raum, in dem ich begann, mich schwerelos zu orientieren.“ Die fiktiven Gedankengänge des ungeborenen Kindes beschreibt Christian Berkel sehr anschaulich. Nach der Geburt wurde er beinahe vertauscht, nur seinem Vater ist es zu verdanken, dass das nicht passiert ist. Vielleicht führte das dazu, dass er so intensiv nach seiner Identität suchte. Als Halbjude fühlte er sich lange als nichts Ganzes und nichts Halbes, vor allem nicht als Deutscher. Die Erziehung, die ihm seine Eltern angedeihen lassen, ist liebevoll und künstlerisch geprägt. Deren Traumata sind allerdings deutlich spürbar, Mutter Sala, die während des 2. Weltkriegs unter anderem im Lager Gurs eingesperrt war, wirkt oft abweisend. Vater Otto, der viele Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft war, neigt zum Jähzorn. Da seine Mutter ihm schon früh die französische Sprache nähergebracht hat, geht er nach der fünften Klasse auf ein französisches Gymnasium, mit 14 erst als Gastschüler für ein Trimester und dann für längere Zeit nach Paris. Da war ihm schon klar, dass er Schauspieler werden möchte. In Frankreich hat er trotz hervorragender Sprachkenntnisse keine Chance und kehrt nach Deutschland zurück. Auf eine Sturm-und-Drang-Zeit mit Selbstfindung folgt eine Zeit der Selbstwerdung, über Drogen und Frauen führt ihn der Lebensweg zum Ziel und er wird ein erfolgreicher Schauspieler.
Wie viel von Christian Berkel in Sputnik steckt, kann ich nicht beurteilen. Klar ist, dass es zwischen den beiden viele Parallelen gibt. Der Charakter des Sputnik ist zwar interessant, sein Werdegang und seine Suche nach der Identität spannend, aber ich kann ihm persönlich nichts abgewinnen. Sowohl die ausschweifenden Beschreibungen seiner immer feuchter werdenden Träume bis hin zur obsessiven M***urba**on als auch seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Drogen haben mich wenig begeistert. Ehrlich und schonungslos offen mögen die Berichte wohl sein, aber wer will denn wirklich wissen, wer wann wo „Hand angelegt hat“?
Sprachlich fand ich das Buch so gut wie die Vorgänger, die Sprache ist klar, bildhaft und zum Teil fast poetisch. Die konzeptionelle Idee und die Ansätze finde ich gut, die Einteilung in drei Kapitel ist gelungen, der Autor schreibt menschlich, nahbar und bodenständig. Der Schluss wirkt auf mich aber verkrampft, nach einer Aneinanderreihung seiner beruflichen Stationen scheint Christian Berkel unbedingt etwas zu suchen, was zum Anfang passt und alles abrundet. Leider bleibt für mich das Buch in Umsetzung und Ausarbeitung weit hinter „Der Apfelbaum“ und „Ada“ zurück.
Berkel schlägt Brücken zu den beiden anderen Teilen der Trilogie, neben seiner Schwester Ada (sie ist meist abwesend, erst im Internat, dann verlässt sie die Familie) treten weitere „alte Bekannte“ aus den anderen Büchern auf. So trifft sich „der Kreis“ aus Bekannten, Freunden und Kollegen (darunter auch der jüdische Bekannte Walter, der in „Der Apfelbaum“ eine wichtige Rolle spielte) zum Ansehen der Fernsehserie „Holocaust“. Der Umgang der Zeitzeugen mit dem Thema und der Fernsehserie ist interessant. Berkel beschreibt die intensive, fast hitzige Diskussion wie ein Theaterstück, wobei sehr kontroverse Ansichten ans Tageslicht kommen. Dennoch konnte mich von dem Buch nur das erste Drittel begeistern. Ich empfehle es allen Fans von Christian Berkel und allen, die die anderen Teile der Trilogie auch gelesen haben und gern Serien zu Ende bringen. Von mir gibt es dreieinhalb Sterne, aufgerundet auf vier.