Coming of Age Geschichte im Theatermilieu der Nachkriegszeit zwischen Frankreich und Deutschland

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Sputnik - ist eine autofiktionale Coming of Age Geschichte des Schauspielers Christian Berkel.
Im ersten Teil werden Kindheit und Jugend im Nachkriegsdeutschland beleuchtet. Recht speziell sind hier zunächst die Reflexionen aus der Perspektive des imaginären Fötus Sputnik sowie der frühen Babyjahre. Auch wenn dies realistisch beschrieben sein mag, konnte ich damit nicht viel anfangen. Wesentlich besser haben mir dann jedoch die Beschreibungen der Kinderjahre und Jugendzeit gefallen. Sputnik wächst in einem künstlerisch-literarisch geprägten Elternhaus des Bildungsbürgertums auf, kein Fernseher dafür frühe Sprachbildung (mit der Mutter spricht er früh nur Französisch), Theaterbesuche und Hörspiele auf Schallplatte zu Hause. Und obwohl Sputnik seine künstlerischen Neigungen früh frei entdecken darf, fühlt er sich seltsam eingeschränkt. Da ist die dramatische Vergangenheit seiner Eltern, die Mutter als Jüdin verfolgt von den Nazis, der Vater im russischen Lager, die auch im Familienalltag immer wieder subtil durchscheint. Da ist seine Identität als Halbjude, die ihm nie bewusst vermittelt wurde und sich doch Stück für Stück für ihn zusammensetzt. Und da ist der durchaus bedrückende, wie für den Heranwachsenden gleichsam verwirrende Hintergrund vor dem dies alles geschieht: ein Nachkriegsdeutschland, dass sich weder an Krieg noch Judenverfolgung erinnern möchte und doch antisemitische Vorurteile sorgsam pflegt. Bei Sputnik führt all dies zu einem Gefühl von Bedrückung und dem Eindruck nie wirklich ganz zu sein. Trost spendet stets das Theater, schon früh verbringt er seine Wochenenden in den Berliner Kammerspielen.

Ein echtes Freischwimmen ist im zweiten Teil schließlich die Zeit als Heranwachsender in Paris, in dem Sputnik ab der 7. Klasse die Schule besucht. Zwar wirkt auch hier die Kriegszeit nach - Sputnik wird nun in jugendlichem Leichtsinn als Nazi verfemt. Und trotzdem erlebt er hier fern von seinem Elternhaus und der befremdlichen Stimmung im Nachkriegsdeutschland erstmals echte Freiheit. So mäandernd wie er im schillernden Paris seine Jugend entdeckt, sich in der Liebe, Erotik, und mit Drogen ausprobiert, so unbeirrt verfolgt er auch hier seinen Wunsch Schauspieler zu werden.

Im Dritten Teil kehrt Sputnik schließlich mit 16 Jahren zurück nach Berlin. Der Roman fokussiert hier auf die Zeit als Jungschauspieler in Film und Theater in Augsburg und Düsseldorf. Sehr interessant fand ich die Einblicke in die Schulddebatte im Nachkriegsdeutschland und die Diskussionen um die RAF und Stammheim, auch und gerade zwischen den verschiedenen Generationen und den künstlerisch-intellektuellen und bürgerlichen Milieus in die der Roman blickt.

Ich habe die Vorwerke des Autors, Ada und der Apfelbaum, nicht gelesen und hatte zwischenzeitlich das Gefühl, dass mir dadurch etwas fehlt, um die Protagonisten der Rahmenhandlung, im Fall der Vorwerke seine Schwester Ada und seine Mutter Sala (der Apfelbaum) besser einordnen zu können.

Der Roman ist flüssig geschrieben und lässt nachvollziehbar werden, wie die Liebe zum Theater bei Sputnik früh geweckt und seither stetig gewachsen ist. Für mich hatte die Erzählung jedoch einige Längen, die zentralen Identitätskonflikte aufgrund seiner Herkunft verlieren zwischen ersten Küssen, Masturbation, Drogenkonsum und Rebellionen fast ihre Bedeutung ohne sich zu einer kohärenten Gesamterzählung zu entwickeln.

So bleibt es für mich leider ein etwas durchwachsenes Leseerlebnis. Für Fans des Autors, die mehr über seinen bewegten Lebensweg erfahren wollen, ist es sicher eine lohnende Lektüre.