Ein Roman wie ein Kunstwerk

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
dj79 Avatar

Von

Es ist wohl mein Jahr der dritten Bände, hier nach „Der Apfelbaum“ und „Ada“ nun „Sputnik“, als neuerlicher Ausflug in die Familiengeschichte von Christian Berkel. Der aktuelle Roman hat etwas Surreales, einen teils seltsam befremdlichen Touch. Gleichzeitig wirkt das Konstrukt wie ein ganz besonderes Kunstwerk.

Dabei verbindet der Autor gekonnt die eigene Familiengeschichte mit dem jeweiligen Zeitgeschehen, lässt vorherrschende Stimmung und Atmosphäre wieder auferstehen. Mit sprachlichem Geschick schenkt er seinen Charakteren passende Stimmen. Die Elterngeneration ist derart mit Redewendungen der Vergangenheit bestückt, dass ich zeitweise gedanklich in meine eigene Kindheit abgedriftet bin. Sputnik, ausgeführt als Ich-Erzähler, ist in seiner Sprechstimme verkürzt männlich unterwegs, in seiner Gedankenwelt unerwartet literarisch. Diesen Wechsel mochte ich sehr. Daraus ergibt sich ein von den Vorgängern abweichendes Leseerlebnis, die eher von den weiblichen Rollen, Sala und Ada, getragen wurden.

Vergleichbar ist die Anlage als Entwicklungsroman, die mit Sputniks sehr bildlich dargestellter Geburt startet. Die ausufernd dargebotene Gefühlswelt des Geborenen bringt die Leser*innen mit einem Kontext in Verbindung, von dem unser ganzes Sein normalerweise abgeschnitten ist. Für mich ist dies ein Gleichnis zu der schweigenden Generation, die unfähig ist, mit ihren Nachkommen über das Geschehene im Weltkrieg zu sprechen. Deren Kinder, hier Ada und Sputnik, fehlen dadurch Puzzleteile für ihre Entwicklung. Da, wo Erfahrung weitergegeben werden sollte, entsteht ein Loch. Auflehnung, Drogenexzesse und gehäuft suizidale Tendenzen sind die Symptome der Folgegeneration.

Die Darstellung des Generationenkonfliktes mit der schwierigen Beziehung zu den eigenen Eltern hat mir durch die in der Erzählweise mitschwingende Liebe insgesamt sehr gut gefallen.