Eine Autofiktion, die mich nicht überzeugen konnte

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gluecksfee Avatar

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Der dritte Roman der autofiktionalen Familiengeschichte Berkels dreht sich um Christian selbst. Ein grosser Teil der Geschichte widmet sich seinen Kindheits- und Jugendjahren. Wir erfahren, wie er aufwächst, wie er die Liebe zum Schauspielen und zur Theaterwelt entdeckt. Wir begleiten ihn auf seiner Schulzeit in Paris und bekommen seine ersten Erfahrungen in der Liebe, aber auch in Bezug auf Suchtmittel mit. Ich habe die Geschichte insgesamt als eine Reise zur Selbstfindung empfunden. Wir tauchen tief in seine Gedankenwelt ein, welche insbesondere in jungen Jahren interessant zu lesen sind, da der Roman aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur Sputnik geschrieben ist. Die für die Kindheit charakteristische Neugier und Unwissenheit hat Berkel sehr gut eingefangen. Einzelne Szenen haben mich schmunzelnd zurückgelassen. Berkel greift ironisch auf, dass bestimmte Aussagen der Eltern einen noch Jahre später beschäftigen können (und die sich an der ein oder anderen Stelle als Lüge herausstellen).

Die Figuren waren für mich nicht greifbar, ich konnte keine tiefere Verbindung mit ihnen aufbauen. Nach der Lektüre hat bei mir auch keiner einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Es fehlte eine sichtbare Charakterentwicklung, was mir persönlich in Büchern wichtig ist.
Sein Schreibstil ist lebendig und auf einem literarisch hohen Niveau. Hervorheben will ich an dieser Stelle seine Beschreibung als heranwachsender Fötus im Mutterleib sowie die Geburt aus der Sicht eines Babys - diese Sichtweise hat mir neue Perspektiven eröffnet. An anderen Stellen ziehen sich seine Gedanken oder Beschreibungen unnötig in die Länge, weshalb die Handlung oft nur langsam voranschreitet. Leider konnte ich deshalb ab der zweiten Hälfte die Lektüre nicht geniessen und musste mich vermehrt durch den Text kämpfen. Auch das Schauspiel-Setting, was an sich eine spannende Branche ist, konnte mich nicht wirklich packen. Auch hier werden Proben oder Gespräche langgezogen.
Gegen Ende wird vertieft die Nachkriegszeit und der Holocaust behandelt. Mit der Umsetzung dieser Thematik bin ich jedoch nicht warm geworden und konnte keine neuen Erkenntnisse für mich ziehen.

Abschliessend konnte ich nicht viel aus dieser Geschichte für mich mitnehmen. Zudem bleibt für mich offen, wer er denn nun genau ist (bezugnehmend auf den Buchumschlag, dass es im Buch um Folgendes geht: „die Frage, wer wir wirklich sind“).
Wer sich echten emotionalen Tiefgang wünscht, dem kann ich das Buch leider nicht empfehlen. Vielleicht kann jemand, der sich für Christian Berkel interessiert, mehr mit dem Roman anfangen.