Im Mutterbauch

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robertp Avatar

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Christian Berkel, Schauspieler – bekannt als Kriminalist, beschreibt mit 67 Jahren wie er sich als Embryo im Bauch seiner Mutter fühlt. Langsam wird er größer, beginnt eine Kommunikation mit seiner Nahrungsquelle und ist dann sehr erstaunt, das Licht der Welt zu erblicken.
Ein interessanter Einstieg in eine Biografie der hier vor mir liegt. Die Welt wird immer größer und anstrengender. Langsam lernt man die Eltern kennen. Der Vater ist Arzt, die Mutter scheinbar krank – wahrscheinlich Krebs, doch beide kümmern sich um den Jungen, sobald Not am „Kind“ ist.
Einfach macht es Herr Berkel mir (den LeserInnen) es nicht. Seine Wörter verbinden sich zu Wortkaskaden, in denen wertvolle Information zu holen ist, aber man muss genau hinschauen (lesen). Was man merkt ist die Intensität mit der er lebt. Bereits in jungen Jahren ist er überzeugt immer das „Richtige“ für sich zu tun. Ein Egoist, ja, aber ein sympathischer. Von der Mutter lernt er die französische Sprache, de facto im Mutterbauch. Eine französische Bekanntschaft aus einem Urlaub ermöglicht ihm ein Semester Schule in Paris und seine Leidenschaft für diese Stadt und das Theater sind nicht mehr zu unterdrücken.
Christian gerät immer tiefer in die Boheme, die Theaterszene und das Kulturleben der französischen Hauptstadt. Er beschließt dort zu studieren (und seine Eltern müssen ihn unterstützen) und Schauspieler zu werden.
Die Welt außerhalb dieses Kosmos ist ihm unbekannt. Das aktuelle Geschehen und Begrifflichkeiten (RAF, Stammheim, D-Day) aktuell und vergangen kennt er nicht. Er lebt in einer Blase (Mutterbauch), in der er Mittelpunkt ist. Sein Egoismus ist grenzenlos, aber nicht unsympathisch. Seine Mentoren sind aus dem Hochadel der französischen Schauspielkunst (Barrault, Bertin, Dux), trotzdem fühlt er sich ihnen überlegen. Er will spielen und verfolgt dies mit der eigenen Selbstaufgabe.
Seine Eltern sind geprägt vom zweiten Weltkrieg. Ihre Biographien klingen an, sind dem jungen Schauspieler aber nicht wichtig. Erst spät erkennt er welche Mühsal seine Erzeuger ertragen mussten.
Für alle die eine Biographie eines Süchtigen nach Selbstdarstellung lesen wollen. Schwierig zu lesen, da Vorkenntnisse der diversen Schauspielschulen und in der Theaterwissenschaft notwendig sind, um zu erkennen welche „Berühmtheiten“ Berkel als Lehrer und Unterstützer fördern. Gleichzeitig auch eine Aufarbeitung der elterlichen Geschichte während der Nazizeit.