Theater, Macht und Moral – eine brillante Milieustudie mit Biss

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lukasp Avatar

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Schon in den ersten Seiten von Standing Ovations entfaltet Charlotte Runcie ein klug komponiertes Panorama des Kulturbetriebs – scharf beobachtet, literarisch pointiert und mit viel Gespür für die leisen Dramen hinter den großen Bühnen.

Im Zentrum steht Sophie, Kulturjournalistin, frisch zurück im Job nach der Elternzeit. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Alex reist sie zum Fringe-Festival nach Edinburgh – eine Kulisse voller Eitelkeiten, Ambitionen, Scheitern und Glanz. Runcie erzählt in einem Ton, der zwischen Melancholie, Witz und leiser Wut changiert.

Besonders stark: die Figuren. Alex, der charismatische Kritiker mit Hang zu gnadenlosen Urteilen und verwischten moralischen Grenzen. Hayley, die junge Künstlerin, die er am Abend ihrer Premiere verreißt – und gleich darauf abschleppt. Und Sophie selbst, die als Ich-Erzählerin zwischen Beobachtung und Teilhabe schwankt.

Die Sprache ist präzise, flüssig und voller literarischer Finesse. Runcie gelingt es, komplexe Fragen nach Macht, Anerkennung und Verantwortung im Kulturbetrieb auf unterhaltsame, manchmal bittere Weise zu verhandeln – ohne je belehrend zu wirken.

Trotz der Leichtigkeit im Ton hat der Text Tiefe: Es geht um Geschlechterrollen, um Sichtbarkeit, um die feinen Grauzonen zwischen Professionalität und Machtmissbrauch – eingebettet in eine dichte Festivalatmosphäre, voller Leben und Abgründe.

Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Ein kluger, pointierter Roman über die Theaterwelt, Geschlechterverhältnisse und die Macht der Worte – stilistisch stark, inhaltlich relevant.