Rache ist bittersüß

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kleine hexe Avatar

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Charlotte Runcie hat ein besonderes und vielschichtiges Romandebüt vorgelegt. Ort der Handlung ist Edinburgh im August, während des Fringe Festivals. Alex Lyon (nomen est omen) ist Theaterkritiker, berühmt für seine knallharten und mitleidslosen Rezensionen. Gnadenlos zerreißt er die Premiere einer jungen Schauspielerin, Hayley Sinclair, vergibt nur einen Stern ( die Zeitungsredaktion erlaubt ihm nicht, keinen Stern zu vergeben) und sendet die Kritik am gleichen Abend an seine Zeitung, am nächsten Morgen ist der Artikel frisch gedruckt. Eine Performance nicht zu mögen, ist unser aller gutes Recht, steht auch Alex Lyon zu. Was ihm aber nicht zusteht, ist Hayley in derselben Nacht, nach der Aufführung, in einer Bar kennen zu lernen, die mit in seine Wohnung zu nehmen, mit ihr einen One-Night-Stand zu haben, ohne ihr zu sagen, er habe ihre Show vermissen. Für ihn ist das sein gutes Recht, eine schlechte Kritik zu schreiben und anschließend mit der Künstlerin in die Kiste zu steigen.
Es kommt, wie es kommen muss, Hayley erfährt noch in seiner Wohnung vom Verrat und läuft wütend davon, während Alex ihr iunberührt und Kaffee trinken, ihr hinterher sieht. So weit, ein klarer Fall von Me Too. Hayley könnte sich jetzt verkriechen und leiden. Nun, sie leidet zwar, dreht aber den Spieß um. Sie wandelt ihre Show um, nennt sie " Die Sache mit Alex Lyon" und stellt ihn bloß. Mehr noch, sie fordertalle Frauen auf, die je von Lyon schlecht behandelt, betrogen, verlassen wurden, kurz, die wegen ihm gelitten haben, sich zu melden. Und was dabei herauskommt, ist ein Shitstorm der Extraklasse, es melden sich viele Frauen und die sozialen Medien explodieren.
Das Ganze wird aus Sophies Perspektive erzählt, Kollegin von Alex Lyon, Kritikern an der gleichen Zeitung, Mitbewohnerin von Alex in Edinburgh und junge Mutter mit einem festen Partner daheim in London. Sophie ist einerseits loyal zu Alex, obwohl sie, wenn man es genau betrachtet, auch ein Hähnchen mit ihm zu rufen hätte. Andererseits ergreift sie auch Hayleys Partei, denn sein Verrat ist ungeheuerlich und geschmacklos und sie kann sehr gut mitfühlen, was die empfindet. Mit Sophie bleiben wir immer nah dran an der Handlung, fühlen die Anspannung, die sich fast bis zum Ende durch den Roman zieht. Mit Sophies Augen gesehen, fühlt sich der Konflikt zwischen Alex und Hayley im besonderen Maße aufrichtig und wahr an.
Mein Fazit: Absolut lesenswert.