Zwischen Bühne und Macht – viel Relevanz, wenig Spannung

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lukasp Avatar

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Standing Ovations von Charlotte Runcie behandelt wichtige und hochaktuelle Themen wie Machtmissbrauch, Sexismus und den Einfluss von Kritik – besonders im sensiblen Kultur- und Theaterbetrieb. Doch trotz dieser starken Ausgangslage konnte mich das Buch nicht durchgängig überzeugen.

Im Zentrum stehen mehrere Figuren: Hayley Sinclair, eine junge Künstlerin, die durch eine gnadenlose 1-Stern-Rezension aus der Bahn geworfen wird. Alex Lyons, der gefürchtete Kritiker, der mehr als nur seinen Einfluss überschreitet. Und Sophie, die Ich-Erzählerin, eine Journalistin und Kollegin von Alex, die als junge Mutter mit Selbstzweifeln und ihrer Rolle inmitten dieses Skandals ringt.

Positiv hervorzuheben ist der klare Bezug zur Gegenwart: Die Frage, was eine einzelne Rezension – sei es zu einem Theaterstück, einem Buch oder einer musikalischen Darbietung – mit einem Menschen anrichten kann, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Auch die literarische Auseinandersetzung mit Machtstrukturen, Täter-Opfer-Dynamiken und der Sichtbarkeit weiblicher Stimmen ist wichtig und gut platziert.

Was mir gefehlt hat, war der erzählerische Fokus. Statt sich ganz auf Hayleys Weg, ihre Reaktion und ihren Widerstand zu konzentrieren, verliert sich der Roman oft in der Figur der Erzählerin Sophie. Deren Privatleben – Mutterschaft, Beziehung, beruflicher Frust – nimmt viel Raum ein und überlagert stellenweise die eigentliche Handlung. Dadurch wird die Perspektive zwar breiter, aber auch distanzierter, was die emotionale Wirkung schmälert.

Auch der Stil ist wechselhaft: Zu Beginn fand ich das Buch sprachlich sehr gelungen – scharfe Beobachtungen, intelligente Dialoge, starke Bilder. Doch nach der ersten Hälfte zog sich das Geschehen. Viele Passagen wurden zu lang ausformuliert, manche Szenen wirkten eher wiederholend als weiterführend. Die Spannung, die am Anfang spürbar war, verlor sich in der Mitte – erst zum Ende hin kommt wieder mehr Dynamik auf, ohne allerdings wirklich zu überraschen.

Das Cover hat mich persönlich nicht angesprochen. Für mich wirkt es zu plump und trifft den Ton des Romans nicht. Die inhaltliche Tiefe und gesellschaftliche Relevanz hätten ein subtileres, künstlerischeres Design verdient.

Fazit:
Ein Roman mit wichtiger Botschaft und starken Momenten, der aber an seiner eigenen Struktur und einem zu weit gefassten Fokus krankt. Die Thematik ist relevant, aber der Spannungsbogen bricht stellenweise ab. Für mich war es ein durchwachsenes Leseerlebnis mit Licht und Schatten.