Ein Plädoyer gegen Schwarz-Weiß-Denken

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kikii04 Avatar

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Während strahlende Promis wie Mattie in Hollywood auf ein Podest gestellt und vergöttert werden, bekommt Logan – einer von Hollywoods Schatten – all den Hass und die Wut ab. Nicht das Logan etwas dagegen hätte – inzwischen provoziert er die Leute dazu, ihn wie Abschaum zu behandeln. Doch was passiert, wenn Logans Dunkelheit auf Matties Strahlen trifft? Denn die beiden Schauspieler werden geradezu gedrängt, sich anzunähern. Kann Logan Mattie noch rechtzeitig abschrecken – oder wird er ihn mit in die Dunkelheit reißen?

Es gibt selten ein Buch, dessen Cover so treffend gewählt ist, wie bei STARS IN YOUR EYES. Auf dem Bildschirm kommt das Cover nicht mal annähernd zur Geltung, deshalb – unabhängig davon, ob man das Buch nun lesen will oder nicht – möchte ich allen raten, sich dieses wunderschöne Cover mal in der Buchhandlung anzuschauen. Die Goldprägung ist ein Traum – sie funkelt und strahlt. Sie Verkörpert Hollywood. Und mag den Betrachter täuschen.

Denn das Setting des Buches ist zwar eine Welt voller Glamour und Glitzer – aber die Handlung sieht völlig anders aus. Dunkel und schattenreich. Das ist auch das Allererste, was ich klarstellen möchte. Ich muss selbst zugeben, mit etwas falschen Erwartungen an das Buch herangegangen zu sein. Ich lese unglaublich gerne Gay-Romance, doch STARS IN YOUR EYES ist zwar „gay“, aber nicht wirklich eine „romance“. Ich möchte gar nicht bestreiten, dass es sich um eine Liebesgeschichte handelt. Denn das Buch ist selbst ein Plädoyer dafür, dass Liebesgeschichten eben auch anders aussehen dürfen als weiß, heteronormativ, süß, romantisch, glücklich. Trotzdem werde ich STARS IN YOUR EYES nicht als typische Liebesgeschichte in Erinnerung behalten. Jede:r darf eine eigene Definition von Liebesgeschichten haben – meine sieht eben anders aus.

Das Buch war also für mich anders als erwartet, aber diese Feststellung erfolgte frei von einer Bewertung. Ich war überrascht und habe mich nun eben auf diese Geschichte eingelassen. Und das ist mir nicht schwergefallen. Mattie ist ein sehr offenherziger, lieber, freundlicher Charakter, ein authentischer Sonnenschein, der einem den Einstieg in die Geschichte sehr leicht macht. Ich habe ihn im ganzen Buch über sehr gemocht. Logan macht es einem etwas schwerer, ihn kennenzulernen. Dennoch hat mich die Tiefe seines Charakters sogar noch mehr überzeugt als bei Mattie. Mit beiden Figuren muss man an manchen Stellen Geduld und Mitgefühl haben – wobei mir das überhaupt nicht schwergefallen ist, weil die Figuren wirklich überzeugen konnten.

Die Geschichte wird aus wechselnder Perspektive geschrieben. Der Erzählstil hat mir gut gefallen und er ermöglicht einen Lesefluss, trotz der thematisch schweren Kost. Besonders gefallen haben mir die Texte zwischen den Kapiteln. Das waren beschriebene Videoausschnitte, Blogbeiträge, Interviews und viele weitere Beiträge, über die ich nun nicht weiter spoilern möchte und die die Story sehr facettenreich gestaltet haben. Als Leser:in kann man so noch tiefer in die Welt eintauchen, in der Mattie und Logan leben und lernt vieles besser zu verstehen.

Was das Buch am meisten ausmacht, sind ganz klar die Themen. Tatsächlich geht es weniger um Hollywood und die Schauspielerei an sich – das ist eher ein Rahmengerüst, in dem die Story funktioniert. Die eigentliche Thematik ist sehr viel ernster, ergreifend und düster. Zum einen ist das Buch gesellschaftskritisch. Es zeigt, dass die Dinge nie nur Schwarz und Weiß sind; dass es mehr gibt, als happy und unhappy Ends. Darüber hinaus ist Psychologie ein entscheidender Bestandteil und viele potenziell triggernde Themen. Ich möchte an dieser Stelle nicht spoilern, habe mich aber dazu entschieden, ein paar dieser potenziellen Trigger ans Ende der Rezension anzufügen. Denn dieses Buch ist wirklich sehr heftig, was die „Schwere“ angeht. Ich lese hauptsächlich Bücher mit Triggerwarnungen und würde von mir behaupten, dass ich mit den entsprechenden Themen gut umgehen kann. Dieses Buch war daher eine ganz neue Erfahrung für mich, weil ich es ziemlich einnehmend fand. Das Buch beschreibt die traumatischen Erlebnisse nicht allzu detailreich, aber das bedrückende Gefühl ist da. Man sollte sich dies wirklich bewusst machen, sich auch sicher sein, dass man mit den Themen umgehen kann, wenn man das Buch liest. Einen Blick auf die Triggerwarnung – Spoiler hin oder her – würde ich definitiv empfehlen.

Mein Fazit:
Schriftstellerisch ist STARS IN YOUR EYES ein wirklich beeindruckendes Werk. Die Erzählweise ist clever gewählt, die Figuren sind gut angelegt und ausgearbeitet. Es ist ein Buch, das einen wirklich mitnimmt. Die Emotionen sind überwältigend. Aber es ist absolut kein Buch für zwischendurch. Es ist ein Roman, den man beim Lesen auch mal weglegen muss, um durchzuatmen und mit dem Inhalt klarzukommen. Es ist auch ein Roman, der noch sehr lange nachhallen wird. Obwohl das Buch dem Genre Liebesroman zugeordnet werden kann, liegt der Fokus nicht auf der Lovestory. Was diese Gefühle betrifft, geht der Roman nicht ins Detail – wer also Romantik erwartet und eine Geschichte zum Lächeln lesen möchte, ist hier an der falschen Adresse.

Wer aber nach einer modernen Romanze mit Tiefgang und schwulen Charakteren sucht; wer Interesse an einer Liebesgeschichte hat, in der der Begriff von Liebesgeschichten neu definiert wird; und wer mit Schwere und bedrückender Atmosphäre umgehen kann – all jene sollten dieses Buch auf jeden Fall lesen. Ich vergebe also eine Leseempfehlung mit dem oben beschriebenen Vorbehalt und 4,5 Sterne.


Meine persönliche Triggerwarnung (ACHTUNG SPOILER!!!):

Traumata
Depression
Suizidalität
Missbrauch
Vergewaltigung