Das Schicksal und die Sterne

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Von Hegel, Kant oder Schopenhauer hat sich Carla Mittmann seit ihrem Philosophiestudium weit entfernt. Statt akademischer Weihen und Kritik der reinen Vernunft bestimmt die Abwicklung von Möbelbestellungen für Behörden ihr Dasein. Akademisches Prekariat eben, Leser*innen mit einem geisteswissenschaftlichem Abschluss werden bei der Lektüre von Katja Kullmanns Roman "Stars" wissend nicken, jedenfalls wenn ihr Studium ebenfalls in eine Zeit viel, in der auf dem Arbeitsmarkt nicht verzweifelt nach jungen Menschen gesucht wurde.

Die Horoskop-Webseite, die Carla betreibt, ist ein Überbleibsel eines Studienprojekts, eine on-off-Sache und kleiner Nebenverdienst. Sie hat sich eingerichtet in einem Alltag, der ausgesprochen unspektakulär ist. Für ihren Job ist sie überqualifiziert, aber immerhin, die Kolleginnen sind nett. Und den rechten Schwung für Veränderungen hat sie eh nicht, bis es zu einem nächtlichen Zwischenfall vor ihrer Zweizimmerwohnung in bescheidener Nachbarschaft kommt: Ein Stein fliegt durch ihr Schlafzimmerfenster, auf den Bürgersteig wurde die Botschaft "Freiheit für Carla Mittmann" gesprüht und vor ihrer Wohnungstür ist ein Karton mit 10.000 Dollar.

Carla weiß nicht, was sie davon halten soll, doch sie beschließt, etwas an ihrem Leben zu ändern. Sie sorgt für ein neues Branding ihrer Horoskopseite, präsentiert sich als Astrophilosophin mit internationaler Erfahrung, kündigt den Job im Möbelhaus. Und siehe da: Mit einer gut vernetzten High Society-Klientin nimmt ihr Astro-Service Fahrt auf. Clara erzielt Einnahmen, von denen sie nicht zu träumen gewagt hätte. Per aspera ad astra, gewissermaßen. Fernsehsendungen, Zeitschriftenartikel und ein wachsender Kundenkreis - und mittendrin Clara zwischen Selbstzweifeln und neuen Überzeugungen. Ist sie eigentlich ein Art Hochstaplerin, oder haben die Sterne ihr tatsächlich etwas zu sagen? Ist ihr das Schicksal samt vergleichsweise spätem Erfolg durch die Sterne vorbestimmt gewesen?

Kullmann erzählt locker und folgt dem Aufstieg ihrer Protagonistin, die als Ich-Erzählerin durch das Geschehen führt, mit Humor und einem Schuss Ironie. Die Pointe am Schluss sorgt dann noch einmal für einen gelungenen Abschlusspunkt.

Für Leser*innen, die Katja Kullmanns Sachbücher kennen, ist "Stars" sicherlich überraschend und ganz anders als ihre Bücher über Feminismus, Frauenrollen und Gesellschaft. Die Unterhaltung ist aber auch hier mit klugen Beobachtungen gewürzt.